Leitsatz (amtlich)
Schweigt das Hauptverhandlungsprotokoll über die Verlesung einer Urkunde (hier: Messprotokoll), so gilt diese als nicht erfolgt. Bei der Verhängung einer relativ hohen Geldbuße, wie es jedenfalls bei der Verhängung einer Geldbuße von 750,00 EUR der Fall ist, ist es erforderlich, dass die Leistungsfähigkeit des Betroffenen berücksichtigt wird, da es von ihr abhängt, wie empfindlich oder nachhaltig die Geldbuße den Täter trifft.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lübbecke zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Lübbecke vom 25.05.2007 wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße in Höhe von 750,00 EUR sowie zu einem Fahrverbot von 3 Monaten verurteilt worden.
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am 27.10.2006 um 19.07 Uhr mit dem von ihm geführten Kraftrad Harley-Davidson in Stemwede auf der L770/Neustadt in Richtung Westen. Die dort außerhalb geschlossener Ortschaft durch Verkehrszeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 43 km/h (nach Abzug eines Toleranzwertes in Höhe von 5 km/h). Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte nach den Urteilsfeststellungen mit einem bis zum 31.12.2007 geeichten Verkehrsradargerät Multanova VR 6 F.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Lübbecke.
Mit der erhobenen Verfahrensrüge, das Amtsgericht Lübbecke habe sich bei der Urteilsfindung auf Urkunden bzw. Schriftstücke gestützt, die nicht ordnungsgemäß, nämlich im Wege der §§ 249, 256 StPO noch im Wege der §§ 77 a , 78 OWiG in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe seine Überzeugung nicht allein aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft und rügte damit einen Verstoß gegen § 261 StPO i.V.m. § 249 ff. StPO, 77 a, 78 OWiG.
Die erhobene Rüge erweist sich jedenfalls insoweit als unbegründet, als mit ihr geltend gemacht wird, der Eichstand vom 07.08.2006 und die Anzeige des Ordnungswidrigkeitentatbestandes vom 22.11.2006 seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden. Denn diese beiden Schriftstücke sind ausweislich der Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts vom 25.05.2007 entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht lediglich zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Vielmehr heißt es in dem Protokoll ausdrücklich, dass diese Schriftstücke gem. §§ 256 StPO, 46 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden seien. Da § 256 StPO den erweiterten Urkundsbeweis ausschließlich durch Verlesung der in dieser Vorschrift aufgeführten Schriftstücke regelt, ist die Verlesung des Eichstands sowie der Anzeige des Ordnungswidrigkeitentatbestands noch ausreichend durch die Sitzungsniederschrift belegt, auch wenn in der im Hauptverhandlungsprotokoll nachfolgenden Textzeile "durch verlesen" das zu dieser Zeile gehörende Kästchen nicht zusätzlich angekreuzt worden ist.
Sicher begründet ist die Rüge aber, soweit mit der Rechtsbeschwerde die nicht ordnungsgemäße Einführung des Messprotokolls vom 27.10.2006 beanstandet worden ist.
Anders als bei der oben erörterten Feststellungen im Hauptverhandlungsprotokoll, folgende Schriftstücke wurden gem. §§ 256 StPO, 46 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, enthält die Sitzungsniederschrift vom 25. Mai 2007 in Bezug auf das Messprotokoll vom 27.10.2006 den verkündeten Beschluss, dass das Messprotokoll gem. § 77 a Abs. 1 - 4 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wird. Dieser Beschluss ist dahingehend auszulegen, dass die Verlesung des Messprotokolls gem. § 77 a OWiG angeordnet worden ist, auch wenn im Hauptverhandlungsprotokoll vorgedruckte Alternative "durch verlesen" nicht zusätzlich angekreuzt worden ist. Denn die Möglichkeit der Anordnung einer vereinfachten Beweisaufnahme gem. § 77 a Abs. 3 OWiG scheidet hier aus. Denn in diesem Falle müsste gem. § 273 Abs. 1 StPO in der Sitzungsniederschrift protokolliert sein, dass der wesentliche Inhalt einer fernmündlich eingeholten behördlichen Erklärung in der Hauptverhandlung bekanntgegeben worden ist (vgl. Senge in KK, OWiG, 3. Aufl., § 77 a Rdnr. 17). Das ist hier aber nicht der Fall. Aus dem Protokoll ergibt sich auch nicht, dass das Amtsgericht mit dem vorgenannten Beschluss die Einführung des Messprotokolls in das Verfahren gem. § 78 Abs. 1 OWiG angeordnet hat.
In Bezug auf die mit dem Beschluss angeordnete Verlesung des Messprotokolls enthält die Sitzungsniederschrift aber keine Angaben dazu, dass dieser Beschluss auch ausgeführt worden ist. Bei de...