Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 42 Ns 71/08) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte, dem auch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger aufzuerlegen waren.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hagen hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 17. November 2006 wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tatmehrheit mit fahrlässiger Tötung eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu je 100 € verhängt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen mit Urteil vom 29. Mai 2009 das Urteil des Amtsgerichts unter Verwerfung der Berufung im Übrigen dahingehend ab, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Als Einzelstrafen verhängte das Landgericht für die fahrlässige Körperverletzung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 € und für die fahrlässige Tötung eine Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Monaten.
Der Angeklagte, ein Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, hatte bei zwei Kindern eine Rachenmandelentfernung (Adenotomie) durchgeführt, die nach den Feststellungen der Strafkammer im Wesentlichen wie folgt verliefen:
Kim I2 operierte er am 2. Juli 2003. Bei dieser Operation rasierte der Angeklagte den rechten Tubenwulst ab. Folgeschäden verblieben aufgrund dieses Eingriffs nicht.
Lea X operierte der Angeklagte am 9. August 2004. Bei dieser Operation verletzte der Angeklagte die hirnversorgende Arteria carotis interna (Halsschlagader) des Kindes. Dies führte zu erheblichen Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel im Gehirn. Ursache für den eingetretenen Hirntod waren eine globale Hirnischämie bei generalisiertem Hirnödem und schwergradiger unterer Einklemmung.
Das Urteil wurde dem damaligen Verteidiger des Angeklagten am 12. August 2009 zugestellt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Seine jetzige Verteidigerin begründete die Revision mit am Montag, 14. September 2009, per Telefax beim Landgericht Hagen eingegangenem Schriftsatz. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Zunächst rügt die Revision eine Verletzung von § 184 GVG und § 267 StPO. Das Urteil sei wegen der Verwendung zahlreicher medizinischer Fachbegriffe nicht aus sich heraus verständlich und entziehe sich der revisionsrechtlichen Nachprüfung (unten II.1.). Mit der Aufklärungsrüge greift die Revision die unterbliebene Verlesung der vorläufigen schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Prof. S2 vom 25. Oktober 2005 an (unten II.2.). Weiterhin wird die Verletzung des § 261 StPO (Inbegriff der Hauptverhandlung) gerügt. Das Urteil weise einen Erörterungsmangel auf (unten II.3.). Mit der allgemein erhobenen Sachrüge rügt die Revision insbesondere mehrere Fehler in der Beweiswürdigung und macht zudem geltend, die Strafzumessung sei fehlerhaft (unten II.4.-13.).
Die Rügen II.2. - 6. betreffen den Fall Kim I2, die Rügen II.7. - 12. den Fall Lea X.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Mit Schriftsatz der Nebenklägervertreterin vom 21. Oktober 2009 haben die gesetzlichen Vertreter der Geschädigten I2 als Nebenkläger eine Gegenerklärung abgegeben.
II.
Die Revision ist zwar formgerecht gemäß § 345 Abs. 2 StPO innerhalb der gemäß
§ 345 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1, Abs. 2 StPO mit Ablauf des 14. September 2009 endenden Frist beim Landgericht Hagen eingegangen. Der Revision bleibt in der Sache jedoch der Erfolg versagt, da das Urteil weder verfahrens- noch sachlich-rechtliche Fehler aufweist.
1.
Das Urteil verstößt nicht gegen § 184 GVG und § 267 StPO.
a)
Es kann dahinstehen, ob die insoweit erhobene Verfahrensrüge in der durch § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gebotenen Form zulässig ausgeführt worden ist - was die Generalstaatsanwaltschaft bezweifelt -, weil ein Verstoß gegen § 184 GVG und
§ 267 StPO bereits auf die allgemeine Sachrüge hin zu überprüfen ist.
Zwar bezeichnet die Revision ihre Rüge des Verstoßes gegen § 184 GVG und § 267 StPO ausdrücklich als Verfahrensrüge (vgl. Rev.begr. S. 2). Für die Abgrenzung zwischen Verfahrens- und Sachrüge ist es aber unwesentlich, wie der Beschwerdeführer die Rüge bezeichnet hat; entscheidend ist ihre wirkliche rechtliche Bedeutung, wie sie dem Sinn und Zweck des Vorbringens zu entnehmen ist (BGHSt 19, 273 = Urteil vom 24. März 1964 - 3 StR 60/63 -, zitiert nach juris Rn. 8).
Da die Revision die Verletzung des § 184 GVG in Verbindung mit § 267 StPO rügt und sich dabei auf die mangelnde Verständlichkeit des Urteils bezieht, ist die Rüge dahin auszulegen, dass nicht die Verfahrensweise des Landgerichts in der Hauptverhandlung angegriffen werden soll, sondern die Darstellung in den schriftlichen Urteilsgründen. Die Revision rügt, das Urteil entziehe sic...