Leitsatz (amtlich)

Eine "vorsätzliche Ausführung einer Straftat" liegt auch dann vor, wenn der VN in einem vermeidbaren Verbotsirrtum handelt.

 

Normenkette

AUB 94 § 2 Abs. 1 (2)

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 607/04)

 

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen (Bl. 73 ff. d.A.). Der Unfall ist - i.S.d. § 2 Abs. 2 AUB 94 - dem Kläger dadurch zugestoßen, dass er vorsätzlich eine Straftat ausführte.

Entgegen der Auffassung der Berufung (Bl. 89 ff.) führte der Kläger die Straftat des § 21 StVG "vorsätzlich" aus.

Dieses Erfordernis des § 2 Abs. 2 AUB 94 ist dann erfüllt, wenn i.S.d. deutschen Strafrechts (vgl. OLG München v. 11.7.1997 - 14 U 953/96, OLGReport München 1999, 70 = VersR 1999, 881) eine vorsätzliche Straftat vorliegt. Es verweist damit hinsichtlich des Vorsatzes auf §§ 15 f. StGB (vgl. bereits Senat, VersR 1981, 954).

Vorsatz ist hiernach vorliegend gegeben; denn der Kläger kannte die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, und er wollte die Tat: Er wusste, dass er am 1.4.1981 den Führerschein wie Bl. 93 erhalten hatte und dass der Motorroller einen Hubraum von 125 ccm hatte; und er wollte diesen Roller fahren. Mehr erfordert Vorsatz nicht (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB).

Ob der Kläger wusste, dass er mit diesem Führerschein diesen Roller nicht fahren durfte, ist, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, allein eine Frage nach dem Vorliegen eines Verbotsirrtums gem. § 17 StGB, (vgl. etwa auch OLG Brandenburg VRS 101, 293 m.w.N.). Da der etwaige Irrtum vermeidbar war (ein ausländischer Fahrzeugverleiher und selbst ein deutscher Händler sind keine hinreichend zuverlässigen Auskunftspersonen - anders etwa das Straßenverkehrsamt), ändert ein solcher Irrtum nichts an der Strafbarkeit wegen einer Vorsatztat (§ 17 S. 2 StGB). Das Verhalten des Klägers bleibt eine vorsätzliche Straftat i.S.d. § 2 Abs. 2 AUB 94.

§ 2 Abs. 2 AUB 94 kann nicht etwa dahin verstanden werden, dass dem Versicherten bewusst sein müsste, dass er gegen ein Strafgesetz verstößt, oder dass der Versicherte jedenfalls die gesetzlichen Verhaltensregeln kennen müsste. Die Vorschrift macht für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass bei einer Vorsatztat i.S.d. deutschen Strafrechts Versicherungsschutz nicht besteht. Würde man für die Ausnahme vom Versicherungsschutz eine weiter gehende Kenntnis des Versicherten fordern, so müsste man z.B. auch bei einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB fordern, dass der Versicherte weiß, dass es strafrechtlich verboten ist, unter bestimmten Umständen auf einer Kraftfahrstraße zu wenden. Es ist indes allgemeine Meinung, dass es für den Ausschluss gem. § 2 Abs. 2 AUB 94 genügt, wenn der Versicherte die Umstände kennt, die zum Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB gehören, und diese verwirklichen will.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1406857

MDR 2005, 1404

VersR 2006, 399

ZfS 2005, 612

VK 2006, 12

OLGR-Mitte 2006, 74

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