Leitsatz (amtlich)

1. Zu den versicherten Gefahren des täglichen Lebens können auch kriminelle Handlungen gehören.

2. Das spontane Zugehen auf einen Polizeibeamten mit geballten Fäusten ist auch keine ungewöhnliche und gefährliche "Beschäftigung".

 

Normenkette

AHB; BBR

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 148/04)

 

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das LG hat der Klage jedenfalls i.E. zu Recht stattgegeben (Bl. 83 ff. d.A.). Die Beklagte ist verpflichtet, Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren. Die Angriffe der Berufung (Bl. 113 ff.) greifen nicht durch.

1. Der Senat geht - zugunsten der Beklagten - von dem Sachstand aus, wie er sich aus dem Antrag der Beklagten auf Tatbestandsberichtigung vom 14.3.2005 (Bl. 103 f. = 124 f.) ergibt. Auch bei diesem Sachstand ist die Klage begründet, wie im Folgenden noch darzulegen ist. Der Umstand allein, dass das LG den unstreitigen Tatbestand womöglich zu kurz gefasst hat, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

2. Das LG hat zu Recht einen Vorsatz des Klägers in Bezug auf die Verletzung des Polizeimeisters E. verneint. Nach dem Sach- und Streitstand in erster Instanz (wie gesagt unter Berücksichtigung des Tatbestandsberichtigungsantrags der Beklagten) ist davon auszugehen gewesen, dass der Kläger nach dem brutalen Angriff auf seine Ehefrau "mit geballten Fäusten" auf PM E "losging", dass dieser sich sogleich mit einem gezielten Faustschlag gegen das Kinn des Klägers zur Wehr setzte und sich dabei einen Finger brach (vgl. S. 3 der Klageerwiderung, Bl. 30). Es lässt sich bei diesem Sachverhalt schon nicht feststellen, dass der Kläger den Vorsatz hatte, dem Polizeibeamten einen Fingerbruch oder eine gleichwertige Verletzung zuzufügen. Auch unter Berücksichtigung des Vorverhaltens lässt das äußere Verhalten des Klägers keinen auch nur einigermaßen sicheren Schluss auf einen Vorsatz für eine Verletzung des Polizeibeamten zu. Ob ein etwaiger Vorsatz des Klägers, den Polizeibeamten "aktiv" zu verletzen, auch die hier in Rede stehende, durch einen Präventivschlag des Polizeibeamten entstandene Verletzung erfassen würde, bedarf daher keiner Erörterung.

Soweit die Beklagte darüber hinaus Beweis dafür angeboten hat (S. 6 unten der Klageerwiderung, Bl. 33; S. 5 des Schriftsatzes vom 6.11.2004, Bl. 54), dass der Kläger eine gewisse Verletzung des Polizeibeamten billigend in Kauf genommen habe, sind die Beweisantritte unbeachtlich. Es handelt sich vorliegend um eine innere Tatsache; es ist mit keinem Wort dargetan und auch sonst nicht ersichtlich gewesen, wie die benannten Zeugen oder ein Sachverständiger diesen Beweis erbringen könnten.

Ob dies auch für die neuen Beweisantritte der Berufungsbegründung gilt, bedarf keiner Erörterung. Diese sind, jedenfalls soweit sie Zeugen betreffen, gem. § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Aus den Akten 190 Js 422/03 StA Dortmund ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Verletzungsvorsatz des Klägers.

3. Zu Unrecht macht die Berufung geltend, aus der Gewährung des Versicherungsschutzes für "Gefahren des täglichen Lebens" (Abschnitt I der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen) oder jedenfalls aus § 242 BGB ergebe sich, dass Folgen eines unredlichen oder jedenfalls eines kriminellen Verhaltens nicht versichert seien.

Die Auslegung der Versicherungsbedingungen ergibt eine solche Einschränkung nicht, wie der BGH in seinem Urt. v. 25.6.1997 (BGH, Urt. v. 25.6.1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 = MDR 1997, 940 = VersR 1997, 1091, unter I 2) in Bezug auf - soweit relevant - identische Bedingungen eingehend begründet hat. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an.

Ebenso wenig kann eine solche Einschränkung der Vorschrift des § 242 BGB entnommen werden (wie sich mittelbar auch aus dem vorgenannten Urteil des BGH ergibt). Es widerspricht nicht Treu und Glauben, die Beklagte an den von ihr selbst formulierten Versicherungsbedingungen festzuhalten.

4. Aber auch der Ausschluss für Gefahren "einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" (Abschnitt I der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen) greift vorliegend nicht.

a) Die Geltung der Ausschlussklausel ist nach gefestigter Rechtsprechung auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen die schadenstiftende Handlung (im Streitfall das Losgehen auf den Polizeibeamten) im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden ist, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist (BGH, Urt. v. 25.6.1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 = MDR 1997, 940 = VersR 1997, 1091, unter II; v. 17.1.1996 - IV ZR 86/95, MDR 1996, 1129 = VersR 1996, 495, unter II 2a; zuletzt: BGH v. 10.3.2004 - IV ZR 169/03, MDR 2004, 937 = BGHReport 2004, 867 = VersR 2004, 591, unter 3a). Dass die schadenstiftende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist, genügt nicht.

Eine derartige allgemeine Betätigung setzt nach dem Wortlaut ("Beschäftigung") eine gewisse Dauer voraus (OLG Frankfurt v. 29.9.1995 - 24 U 75/94, OLGReport...

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