Entscheidungsstichwort (Thema)

Deckungsschutz für Verteidigung gegen Klage wegen Verletzung eines Polizeibeamten

 

Leitsatz (amtlich)

Das Nichtbefolgen einer Weisung eines Polizeibeamten (Platzverweis) und das Zulaufen auf diesen stellen regelmäßig keine allgemeine Betätigung dar, die selbst "ungewöhnlich und gefährlich" ist.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Deckungsschutz aus einer bei der Beklagten genommenen Haftpflichtversicherung wegen der Verletzung eines Polizeibeamten.

Nach einer Geburtstagsfeier des Klägers, bei welcher dieser und seine Gäste in erheblicher Menge Alkohol genossen hatten, kam es in den frühen Morgenstunden des 24.3.2002 im Bereich U.-Straße und I.-Straße in I. zu einem Polizeieinsatz. Dem Kläger und seinen Begleitern wurde ein Platzverweis erteilt, da sie durch lautstarke Auseinandersetzungen die Nachtruhe störten (vgl. Bl. 2 der Beiakte 500 Js 151/02 StA Hagen). Sie kamen dem Verweis nicht nach. Einer der Begleiter des Klägers, K., sollte zur Durchsetzung des Platzverweises und zur Feststellung der Personalien auf die Wache verbracht werden. Er widersetzte sich. Der Kläger beleidigte die Beamten und stieß allgemeine Drohungen aus. Als mehrere Polizeibeamte versuchten, K. zu Boden zu bringen und diesem Handfesseln anzulegen, lief der Kläger aus einer Entfernung von etwa 10 m schnellen Schrittes und - wie später das Schöffengericht festgestellt hat - in feindlicher Absicht auf die Polizeibeamten zu; er wollte die Beamten in ihrer Diensthandlung behindern. Einer der Beamten bemerkte dies und versuchte, den Kläger von einem Angriff abzuhalten; es gelang diesem Beamten, den Kläger "aus der Bahn zu bringen"; der Kläger kollidierte dabei aber mit PK R., der einen Kreuzbandriss und einen Innenbandabriss am Knie erlitt.

Der Kläger wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe PK R. vorsätzlich verletzt (S. 3 und 4 des Schriftsatzes vom 30.9.2003, Bl. 39 f. d.A.). Außerdem hat sie sich auf Ziff. I der vereinbarten Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen berufen, wonach Versicherungsschutz besteht für die "Gefahren des täglichen Lebens" mit Ausnahme - u.a. - der Gefahren "einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung".

Das LG hat der Klage stattgegeben (Urteil Bl. 74 ff.). Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten; auf die Berufungsbegründung (Bl. 99 ff.) wird verwiesen.

II. Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das LG Deckungsschutz bejaht.

1. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger eine Körperverletzung des Polizeibeamten auch nur billigend in Kauf genommen hätte. Der Senat nimmt hierzu auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug. Entgegen dem pauschalen Vorwurf der Berufung hat das LG den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand vollständig ausgewertet; die Berufung zeigt nicht auf, welcher Vortrag übergangen sein soll.

Soweit die Berufung zur Frage einer vorsätzlichen Verletzung - über die Behauptungen der Beklagten in erster Instanz (Bl. 39 f.) hinaus - neue Tatsachen vorträgt, ist dies gem. § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO unbeachtlich. Letztlich würde sich aber auch daraus nicht darauf schließen lassen, dass der Kläger den Polizeibeamten vorsätzlich verletzte.

2. Versicherungsschutz ist nicht nach Ziff. I der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) ausgeschlossen.

a) Soweit die Klausel auf die "Gefahren des täglichen Lebens" abstellt, ergibt sich daraus keine eigenständige Beschränkung des Versicherungsschutzes. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 25.6.1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 = MDR 1997, 940 = VersR 1997, 1091 unter I 2; v. 10.3.2004 - IV ZR 169/03, MDR 2004, 937 = BGHReport 2004, 867 = VersR 2004, 591, unter II 1 - jeweils zu gleich lautenden Klauseln) ist diese Klausel dahin zu verstehen, dass nur die ausdrücklich genannten Ausschlusstatbestände (wie etwa die Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung) vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.

b) Die Verletzung des Polizeibeamten resultiert auch nicht aus den Gefahren einer "ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" i.S.d. Ziff. I BBR.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die Haftpflicht auslösende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstellt, ihre Geltung ist vielmehr auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden ist, welche ihrerseits "ungewöhnlich und gefährlich" ist (st. Rspr. zu gleich lautenden Klauseln: BGH v. 10.3.2004 - IV ZR 169/03, MDR 2004, 937 = BGHReport 2004, 867 = VersR 2004, 591, unter II 3 a; BGH v. 25.6.1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 = MDR 1997, 940 = VersR 1997, 1091, unter II; v. 17.1.1...

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