Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von Notargebühren auch für Erben des Sozialhilfeempfängers
Leitsatz (amtlich)
Befreiung von Notargebühren nach §§ 143 Abs. 2 KostO, 64 Abs. 2 S. 3 SGB-X ist auch dem Erben des Sozialhilfeempfängers zu gewähren, der auf Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch genommen wird.
Auslagenfreiheit besteht nicht.
Normenkette
KostO § 143 Abs. 2; SGB-X § 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2; BSHG § 92 ff.
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 23.01.2003; Aktenzeichen 5 T 757/02) |
Tenor
Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird der angefochtene Beschluss teilweise aufgehoben.
Auf die erste Beschwerde wird die Notarkostenberechnung vom 16.4.2002 zu UR-Nr. 126/2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Schreibauslagen § 136 III KostO (Fotokopien 6 Stück) 3,00 Euro
Sonstige Auslagen §§ 152 II, 137 Ziff. 1, Ziff. 2 KostO 3,62 Euro
Zwischensumme netto 6,62 Euro
16 % Umsatzsteuer § 151a KostO 1,06 Euro
zu zahlender Betrag 7,68 Euro
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 49,44 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2) beglaubigte am 16.4.2002 die Unterschrift der Beteiligten zu 1) unter einer Grundschuldbestellung nebst Eintragungsantrag zugunsten der Stadt G. als Sozialhilfeträger. Die Grundschuld dient der Absicherung des Kostenersatzanspruchs der Stadt G. nach § 92c BSHG gegen die Beteiligte zu 1) als Erbin nach ihrer Mutter. Für die Beglaubigung erteilte der Notar am 16.4.2002 eine Kostenrechnung unter Ansatz einer 5/10-Gebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5a KostO sowie der aus dem Tenor ersichtlichen Auslagen. Der Präsident des LG hat die Auffassung vertreten, dass für die Beurkundung die Kostenfreiheit nach §§ 143 Abs. 2 KostO, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X gelte. Auf Bitten des Notars hat er diesen angewiesen, insoweit die Entscheidung des LG herbeizuführen.
Dieser Anweisung entspr. hat der Notar mit Schriftsatz vom 12.8.2002 die Entscheidung des LG beantragt. Das LG hat eine Stellungnahme des Präsidenten des LG eingeholt, die dieser unter dem 25.11.2002 abgegeben hat. Weiter hat das LG die Beteiligte zu 1) zum Verfahren hinzugezogen. Durch Beschluss vom 23.1.2003 hat es die Kostenrechnung mit der Begründung aufgehoben, dass die §§ 143 Abs. 2, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X eine sachliche Gebührenbefreiung darstellten, die von der Person des Erstattungspflichtigen unabhängig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom LG zugelassene weitere Beschwerde des Notars.
II. Die weitere Beschwerde ist nach § 156 Abs. 2 S. 2 KostO infolge Zulassung durch das LG statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Notars folgt daraus, dass das LG seine Kostenrechnung aufgehoben hat.
In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer gem. § 156 Abs. 6 KostO zulässigen Anweisungsbeschwerde ausgegangen.
Rechtlich zutreffend ist auch die Auffassung des LG, dass der Ansatz der Beurkundungsgebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5a KostO zu Unrecht erfolgt ist, da die Beurkundung unter den Befreiungstatbestand der §§ 143 Abs. 2 KostO, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X fällt. Nach seinem Wortlaut erfasst § 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X u.a. alle Beurkundungen oder Beglaubigungen, die aus Anlass der Erstattung einer nach dem BSHG erbrachten Leistung anfallen. Dabei ist nach dem Willen des Gesetzgebers unter Erstattung jede Rückgewähr erhaltener Sozialleistungen zu verstehen, also nicht nur der Kostenausgleich zwischen Sozialhilfeträgern i.S.d. 9. Abschnitts des BSHG, sondern auch der Kostenersatz nach §§ 92 ff. BSHG (vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 8/2034, 36 f.). Eine einschränkende Auslegung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schutzbedürftigkeit eines Sozialhilfeempfängers dahingehend, dass Personen, die nicht an dem eigentlichen Sozialleistungsverhältnis beteiligt sind, von der Gebührenbefreiung nicht erfasst werden, kommt nach Wortlaut und Geschichte der Vorschrift nicht in Betracht. § 64 SGB-X schützt zudem nicht alleine den Sozialhilfeempfänger, sondern bezweckt auch eine Entlastung der Sozialhilfeträger (BVerfG v. 14.5.1985 – 1 BvL 6/82, BVerfGE 69, 373 = NJW 1986, 307 ff.; OLG Köln v. 2.10.1989 – 2 Wx 17/89, Rpfleger 1990, 64 f.; Rohs/Wedewer, KostO, Stand 4/02, § 143 Rz. 15 ff.). Schon unter diesem Aspekt kann es keinen Unterschied machen, ob der Sozialhilfeträger Kosten von dem Leistungsempfänger oder einem Dritten erstattet verlangt. In beiden Fällen dient die Kostenfreiheit den Interessen der Sozialhaushalte.
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Gebührenfreiheit anlässlich der Reform durch Gesetz vom 15.6.1989 (BGBl. I S. 1082) dahingehend beschränkt hat, dass die Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern, die durch den ursprünglich in § 144 KostO a.F. enthaltenen pauschalen Verweis auf § 64 Abs. 2 SGB-X miterfasst war, in der Neufassung des § 143 Abs. 2 KostO von der Kostenfreiheit ausdrücklich ausgenommen wurde. Ausweislich der Regierungsbegründung zu jener Gesetzesänderung (vgl. Rohs/Wedewer, KostO, Stand...