Verfahrensgang

AG Dinslaken (Aktenzeichen 8 C 506/92)

LG Duisburg (Aktenzeichen 7 S 354/93)

 

Tenor

Vom Erlaß eines Rechtsentscheids wird abgesehen.

 

Tatbestand

I.

Das Landgericht hat dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

Muß die in Ausübung des Sonderkündigungsrechts nach § 57 a ZVG erklärte Kündigung nicht nur materiell, sondern auch formell den Anforderungen des § 564 b BGB genügen; ist also auch bei einer Kündigung nach § 57 a ZVG zu verlangen, daß das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 564 b Abs. 1, 2 BGB) bereits hinreichend im Kündigungsschreiben genannt ist (§ 564 b Abs. 3 BGB)?

Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt sind die Beklagten Wohnungsmieter in einem Haus, an dem die klagende Sparkasse im Zwangsversteigerungsverfahren durch Zuschlagsbeschluß vom 15.07.1992 Eigentum erworben hat. Mit Schreiben vom 20.07.1992, dessen Zugang die Beklagten bestreiten, hat die Klägerin unter Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht nach § 57 a ZVG das Mietverhältnis zum 31.10.1992 gekündigt.

Jetzt klagt sie auf Räumung mit der – im Kündigungsschreiben noch nicht enthaltenen – Begründung, sie müsse das Grundstück zur Vermeidung von (im einzelnen geschilderten) Nachteilen durch freihändigen Verkauf verwerten.

Das Amtsgericht hat über den Zugang der Kündigung Beweis erhoben und der Klage dann stattgegeben. Das mit der Berufung der Beklagten befaßte Landgericht meint wie das Amtsgericht, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung bewiesen und auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses dargelegt. Das Landgericht möchte sich aber vergewissern, ob nicht auch bei der auf § 57 a ZVG gestützten Kündigung das Begründungserfordernis nach § 564 b Abs. 3 BGB zu beachten ist. Dieser Frage mißt es grundsätzliche Bedeutung zu.

 

Entscheidungsgründe

II.

Ein Rechtsentscheid ergeht nicht, denn die Vorlage ist unzulässig.

Gemäß § 541 ZPO kann das Landgericht einen Rechtsentscheid (nur) herbeiführen, wenn es als Berufungsgericht bei der Entscheidung einer Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt oder den Bestand eines solchen Mietvertragsverhältnisses betrifft, von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines Oberlandesgerichts abweichen will, oder wenn eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden ist; außerdem muß von der Beantwortung der Frage die Entscheidung des Rechtsstreits abhängen. Diese Voraussetzungen sind hier nur teilweise erfüllt.

Die Vorlagefrage ergibt sich zwar aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum. Sie ist auch entscheidungserheblich, denn die Kündigung ist nicht schon wegen fehlenden Zugangs oder mangels berechtigten Interesses der Kläger im Sinne von § 564 b Abs. 2 BGB unwirksam; der Senat folgt insoweit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Falles durch das Landgericht, die nicht offensichtlich unhaltbar und an die er deshalb gebunden ist. Die Frage hat indes entgegen der Annahme des Landgerichts, auf die es insoweit nicht ankommt, keine grundsätzliche Bedeutung.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn zu erwarten ist, daß sie auch künftig wiederholt auftritt, und unterschiedlich beurteilt wird (BayObLG RES. § 2 MHG Nr. 7, 11, 13, 62); eine Rechtsfrage, zu der es in Rechtsprechung und Literatur keine unterschiedlichen Auffassungen gibt und voraussichtlich auch in Zukunft nicht geben wird, hat diese Bedeutung nicht (KG RES. 3. MietRÄndG Nr. 78).

Über die vom Landgericht vorgelegte Frage gibt es in Rechtsprechung und Literatur keinen Streit. Soweit der Senat sieht, entspricht es einhelliger Auffassung, daß auch das Sonderkündigungsrecht nach § 57 a ZVG nur unter den Voraussetzungen des § 564 b BGB ausgeübt werden kann (vgl. nur BGH RES. § 556 BGB Nr. 2 = BGHZ 84, 90; BayObLG WuM 1992, 424; LG Ulm ZMR 1979, 175; LG München WuM 1978, 70; LG Hamburg NJW 1975, 1843 = WuM 1976, 78; LG Hamburg ZMR 1975, 121; AG Hamburg ZMR 1976, 286; Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl., 2. BArb., § 571 Rdn. 35 a; MünchKomm/Voelskow, BGB, 2. Aufl., § 564 b Rdn. 19; Palandt-Putzo, BGB, 53. Aufl., § 564 Rdn. 6; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Rdn. B 572, 577 f; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdn. IV 445; Grapentin in: Bub-Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Rdn. IV 203 f; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 3. Aufl., § 88 Rdn. 4; Witthinrich, Rpfleger 1987, 98; seine abweichende Ansicht hat inzwischen auch Zeller-Stöber, ZVG, 14. Aufl., Anm. 6.4 aufgegeben). Daß § 564 b BGB insoweit nur eingeschränkt, insbesondere ohne das Begründungserfordernis nach Abs. 3, anzuwenden sei, findet der Senat nirgends vertreten. Soweit die Frage in Gerichtsentscheidungen eine Rolle gespielt hat oder in der Literatur angeschnitten worden ist, ist sie stets im Sinne der Anwendung auch von § 564 b Abs. 3 BGB beantwortet worden (vgl. LG Ulm, ZMR 1979, 175; LG Hamburg in...

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