Tenor

Der Vermieter einer Wohnung handelt auch unter den seit 1990 herrschenden Wohnungsmarktbedingungen grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn er den vorzeitig räumenden Mieter bis zum Ende der vereinbarten Vertragszeit auf Mietzahlung in Anspruch nimmt.

Nur wenn der Mieter einen geeigneten Nachmieter stellt und sein Interesse an der Vertragsauflösung dasjenige des Vermieters am Bestand des Vertrages erheblich überragt, muß ihn der Vermieter vorzeitig aus den Vertrag entlassen

(Bestätigung des Rechtsentscheids des OLG Karlsruhe vom 20.3.1981, RES. § 552 Nr. 3).

 

Gründe

I.

Die Beklagten waren Wohnungsmieter in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin. Unter Berufung auf. Lärmbelästigung durch andere Mieter haben sie den bis 30.4.1993 befristeten Mietvertrag am 8.2.1990 fristlos gekündigt, die Wohnung Ende Februar 1990 geräumt und seither keine Miete mehr gezahlt. Die Klägerin hat der Kündigung widersprochen, den Mietvertrag wegen der Mietrückstände dann ihrerseits am 25.2.1991 fristlos gekündigt und die Beklagten auf Mietzahlung für März 1990 bis Februar 1991 in Höhe von 5.369,– DM verklagt.

Das Amtsgericht hat, nach Beweisaufnahme zur Frage der Lärmbelästigung, der Klage stattgegeben, da die Mietzahlungspflicht der Beklagten trotz deren Kündigung vom 8.2.1990 fortgedauert habe: Diese Kündigung sei unwirksam, weil Lärmbelästigungen für die Zeit ab Mitte November 1989 und auch Abhilfeaufforderungen der Beklagten an die Klägerin nicht bewiesen seien. Die Voraussetzungen, unter denen nach dem Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 25.3.1981 der Vermieter den Mieter ausnahmsweise aus Gründen von Treu und Glauben aus dem Mietvertrag entlassen müsse, lägen ebenfalls nicht vor.

Das Landgericht, bei dem die Beklagten Berufung eingelegt haben, hält es angesichts der nunmehrigen Wohnungsmarktlage für treuwidrig, wenn ein Vermieter die vom Mieter verlassene Wohnung ohne Angabe von Gründen nicht neu vermietet. In diesem Sinne – zugunsten der Beklagten – zu entscheiden, sieht das Landgericht sich aber gehindert durch den erwähnten Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 25.3.1981 (RES. § 552 Nr. 3 = OLGZ 1981, 354 = NJW 1981, 1741 = WM 1981, 173 = ZMR 1981, 269). Es legt dem Senat deshalb folgende Fragen zum Rechtsentscheid vor:

  1. Handelt ein Vermieter angesichts der derzeit und auch schon 1990 bestehenden Wohnungsnachfrage treuwidrig (242 BGB), wenn er bei einem auf längere Zeit abgeschlossenen Wohnungsmietvertrag nach endgültigem Auszug des Mieters die Wohnung für einen nicht unerheblichen Zeitraum – vorliegend fast ein Jahr – unvermietet läßt und den Mieter mit dem entsprechenden Mietzins belastet, obwohl dafür keine im Einzelfall nachvollziehbaren Gründe geltend gemacht werden?
  2. Falls die Frage zu Nr. 1 bejaht wird:

    Können zur Bestimmung eines angemessenen Zeitraumes, für den der Vermieter den Mieter weiterhin auf Zahlung des Mietzinses in Anspruch nehmen darf, die gesetzlichen Kündigungsvorschriften des § 565 BGB entsprechend angewendet werden?

II.

Der Senat geht trotz einiger Bedenken von der Zulässigkeit der Vorlage aus.

1.

Streiten läßt sich zwar schon darüber, ob die vorgelegte Frage wohnungsmietrechtlicher Natur im Sinne von § 541 Abs. 1 ZPO ist.

Die Ersatzmieterproblematik, um die es hier geht, ist keine Besonderheit des Wohnungsmietrechts. Bei der Geschäftsraummiete kommt sie, wie der Senat aus seiner täglichen Spruchpraxis weiß, ebenfalls immer wieder vor. Zu lösen ist sie nach Auffassung des Senats in beiden Fällen grundsätzlich auf die gleiche Weise, nämlich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. auch Heile ZMR 1990, 249 (250; 253)). Es kommt deshalb in Betracht, ihr eine spezifisch wohnraummietrechtliche Relevanz und damit die grundsätzliche Eignung zur Behandlung im Rechtsentscheidsverfahren abzusprechen (zur diesbezüglichen – uneinheitlichen – Grenzziehung in der Rechtsentscheidspraxis vgl. Landfermann und Heerde, Rechtsentscheid – Sammlung (RES.), Band VIII, Einführung II 2).

Andererseits mögen die konkreten Gründe, deretwegen Mieter aus dem Vertrag streben, bei der Wohnungsmiete im allgemeinen anders beschaffen und auch anders zu gewichten sein als bei der

Geschäftsraummiete (vgl. Heile a.a.O. S. 253 f.). Außerdem ist die umstrittene Problematik bisher im wesentlichen auf dem Gebiet des Wohnungsmietrechts behandelt worden, u.a. durch mehrere Rechtsentscheide (vgl. neben dem schon erwähnten Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 25.3.1981 die Rechtsentscheide des OLG-Oldenburg vom 19.2.1981 (RES. § 552 BGB Nr. 2 = OLGZ 1981, 315 = WM 1981, 125) und 23.4.1981 (RES. 552 BGB Nr. 4 = WM 1982, 124 = ZMR 1982, 285) und des OLG Hamm vom 6., 4.1983 (RES. § 552 BGB Nr. 5 = NJW 1983, 1564 = MDR 1983, 842 = WM 1983, 228 = ZMR 1983, 2779). Schon deshalb erscheint es verfehlt, einen weiteren Rechtsentscheid zu der Frage, ob und wieweit an jenen Rechtsentscheiden noch festzuhalten ist, nunmehr mangels wohnungsmietrechtlicher Relevanz abzulehnen.

2.

Ansonsten stellt das Landgericht zwar klar, daß es von einer obergerichtlichen Entscheidun...

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