Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestrittene Ansprüche als Teil der Aktivmasse
Normenkette
InsO § 207 Abs. 1; ZPO §§ 116, 127
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 11.07.2011) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld vom 11.7.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass die Kosten für den beabsichtigten Rechtsstreit nicht aus der Vermögensmasse aufgebracht werden können (§ 116 S. 1 Ziff. 1 ZPO).
1. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle einer Massearmut Prozesskostenhilfe in der Regel nicht mehr bewilligt werden kann (BGH ZIP 2009, 1591). Aufgrund der eingetretenen Massearmut gehört es dann nicht mehr zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters, gerichtliche Verfahren zu führen. Vielmehr hat dieser die Einstellung des Verfahrens anzuregen und die vorhandenen Barmittel gem. § 207 Abs. 3 InsO zu verteilen (BGH ZIP 2009, 1591; OLG Celle ZIP 2010, 1464; Musielak-Fischer, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 116 Rz. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl. 2010, § 80 Rz. 117).
Im vorliegenden Fall sind keine Barmittel vorhanden. Das vom Kläger eingerichtete Anderkonto weist einen Stand von 0 EUR auf. Streitig diskutiert wird jedoch die Frage, ob bei der Berechnung der Massearmut auch der geltend gemachte Anspruch zu berücksichtigen ist.
Teilweise wird in der Rechtsprechung (OLG Celle, Beschluss vom 8.4.2010, Aktenzeichen 9 W 21/10, OLG Celle ZIP 2010, 1464; OLG Dresden, Beschluss vom 25.11.2009, Aktenzeichen 13 U 1612/09) die Ansicht vertreten, dass der Insolvenzverwalter nur naheliegende Verwertungsmöglichkeiten nutzen darf, wozu ein noch zu führender Rechtsstreit aber nicht gehört.
Demgegenüber geht die wohl herrschende Auffassung (OLG Celle, Beschluss vom 22.12.2009, Aktenzeichen 13 W 94/09, NZI 2010, 688; Jacoby EWiR 2010, 473; Musielak-Fischer, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 116 Rz. 5; vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl. 2010, Rz. 63) davon aus, dass eine Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen ist.
Der Senat schließt sich nunmehr der letztgenannten Ansicht an. Zur voraussichtlichen Aktivmasse im Rahmen der Kostendeckungsprüfung nach § 207 InsO sind auch bestrittene Ansprüche zu zählen, wenn für ihre gerichtliche Geltendmachung hinreichende Erfolgsaussicht besteht (OLG Celle NZI 2010, 688). Anderenfalls könnten solche Verfahren nicht eröffnet oder müssten wieder eingestellt werden, bei denen die Masse vornehmlich aus Ansprüchen gegen Dritte wie Anfechtungsgegner, Geschäftsführer oder Gesellschaftern bestehen. Den Anspruchsgegnern wäre dann zu raten, auch auf berechtigte Ansprüche des Insolvenzverwalters nicht zu zahlen, um auf eine Einstellung des Verfahrens zu hoffen (Jacoby EWiR 2010, 473). Dies würde der Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens widersprechen. Es ist gerade die Aufgabe des Insolvenzverwalters, auch solche Ansprüche durchzusetzen, die auf einer anfechtbaren Handlung oder einer Insolvenzverschleppung beruhen.
Soweit der Senat teilweise eine andere Auffassung vertreten hat (Beschluss vom 14.2.2011, 27 W 35/10), hält er daran nicht mehr fest.
Damit ist im vorliegenden Fall grundsätzlich auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 5.750 EUR zu berücksichtigen. Da die Massekosten geringer sind, kann die Massearmut - eine hinreichende Erfolgsaussicht und eine Realisierbarkeit der Forderung unterstellt - beseitigt werden.
2. Da das LG die Erfolgsaussichten noch nicht geprüft hat, verweist der Senat die Sache an das LG zurück.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
ZIP 2012, 192 |
ZInsO 2011, 1947 |
InsbürO 2012, 76 |