Leitsatz (amtlich)

Die Verhängung einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe verstößt gegen das Verschlechterungsverbot, wenn die Zahl der Tagessätze die Dauer der früheren Freiheitsstrafe übersteigt und wenn nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen des Angeklagten eine Vollstreckung der Geldstrafe in Form der Ersatzfreiheitsstrafe höchst wahrscheinlich ist,.

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Entscheidung vom 26.02.2007)

LG Bielefeld (Aktenzeichen 5 Ns 63 Js 1144/06 - 21/07)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gütersloh hat die Angeklagte wegen Erschleichens von Leistungen mit Urteil vom 26.02.2007 unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 11.09.2006 (3 Ds 63 Js 2678/06 AK 365/06) wegen Beförderungserschleichung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche verurteilt.

Die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld mit dem angefochtenen Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte wegen Beförderungserschleichung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,- EUR verurteilt wird. Die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 11.09.2006 (15 Tagessätze zu je 10,- EUR Geldstrafe) hat es nicht einbezogen.

Gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld wendet sich die Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts benutzte die Angeklagte am Nachmittag des 05.04.2006 einen Regionalexpress der Deutschen Bahn, um von H nach B zu fahren, ohne gültigen Fahrschein, der 8,- EUR gekostet hätte. Um einer Fahrscheinkontrolle zu entgehen, versteckte sie sich - vergeblich - auf einer Toilette. Sie wurde von dem Zugbegleiter aufgegriffen, der auch ihre Personalien kontrollierte.

II.

Die Revision ist teilweise begründet.

1.

Soweit das Landgericht für die hier abgeurteilte Tat vom 05.04.2006 auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,- EUR erkannt hat, verstößt dies gegen das Verbot der Schlechterstellung aus § 331 Abs. 1 StPO. Der Verstoß gegen § 331 StPO ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHSt 29, 269, 270; OLG Düsseldorf, VRs 82, 455, 457).

Das Amtsgericht hatte für die hier in Frage stehende Tat eine (Einzel-)Freiheitsstrafe von einem Monat verhängt. Durch die Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,- EUR ist das Urteil in unzulässiger Weise zum Nachteil der Angeklagten geändert worden.

Nach herrschender Ansicht verstößt es gegen das Verschlechterungsverbot, wenn das Berufungsgericht eine Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe verhängt und die Zahl der Tagessätze die Dauer der früheren Freiheitsstrafe überschreitet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.1986 - 5 Ss 197/86 -; OLG Koblenz, Urteil vom 13.05.1985 - 2 Ss 156/85 -; Meyer-Goßner, 50. Aufl., § 331 Rdnr. 13; vgl. auch: OLG Düsseldorf, NJW 1994, 1016). Wesentliches Argument für diese Ansicht ist, dass für den Fall, dass die Geldstrafe nicht beigetrieben wird, der Angeklagte nach dem Strafausspruch der Berufungsinstanz eine längere (Ersatz-)Freiheitsstrafe (§ 43 StGB) als nach dem Urteil des Amtsgerichts zu verbüßen hätte (OLG Koblenz, Urteil vom 13.05.1985 - 2 Ss 156/85 -).

Ob bereits immer dann, wenn eine im Hinblick auf die Tagessatzanzahl höhere Geldstrafe (die gemeinhin als milder empfunden wird), verhängt wird, ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vorliegt, kann der Senat dahinstehen lassen. Jedenfalls bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, wo nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Angeklagten eine Vollstreckung der Geldstrafe in Form der Ersatzfreiheitsstrafe höchst wahrscheinlich ist, liegt ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor. Hier müsste die Angeklagte nämlich im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe aus dem Berufungsurteil insgesamt 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, während sie für die hiesige Tat nach dem amtsgerichtlichen Urteil lediglich einen Monat Freiheitsstrafe zu verbüßen gehabt hätte.

2.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils durch den Senat auf die Sachrüge hin keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Landgericht zu Recht von einer Einbeziehung der vom Amtsgericht Gütersloh mit Urteil vom 11.09.2006 verhängten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10,- EUR abgesehen. Dieser Verurteilung lag eine Leistungserschleichung, begangen am 27.10.2005, zugrunde. Dieser Tat gegenüber entfaltet das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 24.03.2006, mit dem die Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monat...

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