Leitsatz (amtlich)
Bei einem Streit über die Bestellung und Eintragung eines dinglichen unentgeltlichen Wohnrechts bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Ist die Klage auf die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts gerichtet, bietet § 52 GNotKG einen geeigneten Anknüpungspunkt für die Ermessensausübung.
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 13.07.2015; Aktenzeichen 010 O 411/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird unter Abänderung des Beschlusses des LG Münster vom 13.07.2015 der Streitwert auf 32.200,80 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die am 18.08.19... geborene Klägerin hat die Beklagte - ihre Tochter - auf Bewilligung und Eintragung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechts an der im Erdgeschoß des Hauses X. in T gelegenen Wohnung im Grundbuch in Anspruch genommen. Die Parteien haben den Jahreswert übereinstimmend mit 6.440,16 EUR (12 × 536,68 EUR) angegeben.
Das LG hat den Streitwert bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigung am 13.07.2015 auf 70.841,76 EUR festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie eine niedrigere Festsetzung des Streitwerts verfolgt. Nach ihrer Ansicht sei der Jahresmietzins nicht mit einer statistischen Lebenserwartung von noch 11 Jahren, sondern unter Zugrundelegung der als Anlage 9 zum Bewertungsgesetz herangezogenen "Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/1988, Gebietsstand seit dem 03.10.1990" nur mit dem Faktor 6,261 EUR zu multiplieren; daraus ergebe sich ein Streitwert von 40.321,84 EUR.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Auf die Beschwerde der Beklagten war die Festsetzung des Streitwerts herabzusetzen. Dabei war der Senat nicht an den Antrag der Beklagten gebunden, sondern konnte die Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ändern.
Bei einem Streit über die Bestellung und Eintragung eines dinglichen unentgeltlichen Wohnrechts bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Ist die Klage - wie im vorliegenden Fall - auf die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts gerichtet, bietet die Vorschrift des § 52 GNotKG einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.06.2006 - 2 W 49/06 -, Rn. 6, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.10.2007 - 8 W 81/07 -, Rn. 2, juris, m.w.N.). Bei der Bewertung ist damit zunächst von dem Wert des Wohnrechts auszugehen, welches hier unstreitig mit 536,68 EUR pro Monat bemessen werden kann. Zur Ermittlung des Gesamtwertes eines auf die Lebensdauer der Person beschränkten Rechtes ist sein Jahreswert nicht mit der statistischen Lebenserwartung, sondern mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 52 Abs. 4 GNotKG zu entnehmen ist. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage über 70 Jahre alt, weshalb nach der genannten Tabelle für den Gesamtwert der auf die ersten fünf Jahre entfallende Wert in Ansatz zu bringen ist. Hieraus errechnet sich der Wert des unentgeltlichen lebenslangen Wohnrechts mit 32.200,80 EUR (6.440,16 EUR × 5).
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Regelung des § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.
Fundstellen