Leitsatz (amtlich)

Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration ist eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände nötig, um trotz der hohen Blutalkoholkonzentration volle Schuldfähigkeit anzunehmen.

Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einer vorästzlichen Trunkenheitsfahrt.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen vom 01.08.2007)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 2. Mai 2007 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt worden, ferner ist eine Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 24 Monaten verhängt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung hat der Angeklagte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Essen die so beschränkte Berufung verworfen.

Nach den Feststehungen des Amtsgerichts und den diese ergänzenden Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte seit vielen Jahren arbeitslos und ohne Ausbildung. Seit mehr als 20 Jahren trinkt er regelmäßig Alkohol in erheblichen Mengen. Eine Alkoholtherapie hat er bisher nicht absolviert. Er hat drei Kinder und um den 3jährigen Sohn kümmert er sich nach eigenen Angaben regelmäßig. Dieser wohnt 300 m entfernt bei der Mutter.

Strafrechtlich ist der Angeklagte 19 Mal, teilweise auch einschlägig, vorbelastet.

Am 3. Juli 2006 fuhr der Angeklagte nach den Feststellungen um 17:25 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen PKW unter anderem die Uhlandstraße in Gladbeck ohne eine Fahrerlaubnis zu haben. Zweck der Fahrt war, seinem Sohn zu zeigen, dass auch er Auto fahren könne. Außerdem wollte er ihm das Auto vorführen. Der Angeklagte hatte die Nacht vorher hindurch Alkohol getrunken. Eine um 17:55 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 2,78 o/oo. Tatzeitpunkt und Grund der Fahrt stellte das Landgericht ergänzend zu den Feststellungen des Amtsgerichts Gladbeck fest.

Gegen das Urteil des Landgerichts Essen wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt,

die Revision als offensichtlich unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat auf die - allein erhobene - Sachrüge Erfolg, § 349 Abs. 4 StPO.

Das Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Urteils tragen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht und das Landgericht geht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch aus.

1.

Der Senat kann das angefochtene Urteil trotz der Berufungsbeschränkung auch hinsichtlich des Schuldspruches überprüfen. Die in der Berufungshauptverhandlung erklärte Beschränkung ist unwirksam.

Eine Beschränkung der Berufung ist unwirksam, wenn eine so enge Verbindung zwischen Schuld- und Strafausspruch besteht, dass eine getrennte Überprüfung des angefochtenen Teils nicht möglich ist, ohne dass der nicht angefochtene mitberührt wird (BGH NJW 1996, 2663, 2664). Grundsätzlich ist die Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit, die zur Rechtsfolge gehört, von der Frage der Schuldfähigkeit, die dem Schuldspruch zuzurechnen ist, trennbar. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine neue Entscheidung über die Schuldfrage aufgrund der für die Strafzumessung festgestellten Tatsachen zu einer Verneinung der Schuld führen kann (OLG Köln NStZ 1984, 379, 380).

Die Berufungsbeschränkung ist unwirksam, da nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Frage einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit oder einer Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB wegen Alkoholgenusses nicht getrennt voneinander geprüft werden können.

Bei der beim Angeklagten festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,78 o/oo, die - ermittelt durch Rückrechnung - 3,08 o/oo zur Tatzeit betrug, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt um 17:25 Uhr schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war. Über den BAK-Wert hinausgehende Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Es hat lediglich festgestellt, "dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch wusste, was er tat" und pauschal auf den Arztbericht verwiesen, ohne genauere Passagen in Bezug zu nehmen. Dies reicht jedoch zum Ausschluss einer Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB nicht als Begründung aus.

Des Weiteren ist eine Beschränkung nicht wirksam, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so mangelhaft sind, dass sie für das Berufungsgericht keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung über die Rechtsfolge sein können (BGHSt 33, 59).

Auch unter diesem Aspekt ist die Berufungsbeschr...

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