Entscheidungsstichwort (Thema)
Misshandlung von Schutzbefohlenen. Rechtsmittelbefugnis. Berufung der Staatsanwaltschaft. Verständigung. Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung.
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den (auch im Fall einer Verständigung) notwendigen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener.
2. Die Staatsanwaltschaft ist auch im Fall einer Verständigung grundsätzlich nicht gehindert, Rechtsmittel zu Lasten des Angeklagten einzulegen.
3. Verfolgt die Staatsanwaltschaft mit einer zu Lasten des Angeklagten eingelegten Berufung gegen ein Urteil, welches auf Grundlage eines im Rahmen einer Verständigung abgelegten Geständnisses des Angeklagten ergangen ist, das Ziel, eine über den im Rahmen der Verständigung benannten Strafrahmen hinausgehende Verurteilung zu erreichen, ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, und zwar aus Gründen der Rechtsklarheit unabhängig von der Frage, ob das Berufungsgericht tatsächlich beabsichtigt, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung den der Verständigung in der Vorinstanz zu Grunde liegenden Strafrahmen tatsächlich zu überschreiten.
Normenkette
StGB § 225 Abs. 1 Nr. 1; StPO §§ 257c, 302, 318; EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 26.07.2017; Aktenzeichen 40 Ns 79/16) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 26.07.2017 betreffend die Verwerfung der Revision des Angeklagten als unzulässig wird aufgehoben.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Angeklagten am 22.07.2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Das Amtsgericht hat zu den einzelnen Taten u. a. folgende Feststellungen getroffen:
1.
An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Mai oder Juni 2015, jedenfalls vor dem 15.06.2015 schlug der Angeklagte ohne Anlass in der Wohnung der Zeugin Q den zehnjährigen Zeugen Q2. Der Zeuge erlitt Hämatome, insbesondere auch im Gesicht. Er befand sich zur Diagnostik ab dem 15.06.2015 bis zum 18.06.2016 stationär im Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Hämatome an den Kniestreckseiten festzustellen.
2.
An einem nicht mehr genauer feststellbaren Tag zwischen dem 18.06.2015 und dem 11.03.2016, wahrscheinlich Ende 2015, Anfang 2016, schlug der Angeklagte den zehnjährigen Zeugen Q2 derart heftig, dass er eine Rippenserienfraktur (3 Rippen) links erlitt.
Das Amtsgericht hat ferner ausgeführt, dass dem Urteil eine verfahrensbeendende Absprache nach § 257c StPO vorausgegangen sei. Die Feststellungen beruhten auf einer danach erfolgten geständigen Einlassung des Angeklagten, die durch die Vernehmung der Zeugin Q, die Verlesung von Urkunden sowie die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern auf ihre Richtigkeit überprüft und für glaubhaft befunden worden sei.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt, die die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 18.08.2016 und der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben. Im Folgenden hat das Landgericht die Berufungen mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 02.02.2016, Az. 53 Ds-924 Js 712/15-587/15, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem einbezogenen Urteil vom 02.02.2016 verurteilt wurde. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten ferner wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Die Kammer hat dabei die Rechtsmittelbeschränkungen jeweils als wirksam und die den Schuldspruch tragenden tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils als bindend angesehen sowie insofern auf die unter Ziff. II des amtsgerichtlichen Urteils getroffenen Feststellungen verwiesen.
Ergänzend hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte im Tatzeitraum regelmäßig Bier und immer wieder auch Wodka bzw. Schnaps konsumiert habe. Vor den jeweiligen Taten habe der Angeklagte jeweils erhebliche Mengen Alkohol konsumiert, so dass er deutlich betrunken gewesen sei. Dabei sei der Angeklagte derart an den Konsum von Alkohol gewöhnt, dass ihm äuße...