Leitsatz (amtlich)
1. Dem Unterhaltspflichtigen darf auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist.
2. Als realistisch erzielbar kann auch ein Einkommen angesehen werden, dass der Unterhaltspflichtige in der Vergangenheit - wenn auch nur vorübergehend - tatsächlich erzielt hat und er trotz entsprechender Auflagen der Gerichte keinerlei Erwerbsbemühungen nachweist.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 10.11.2015; Aktenzeichen 43 F 91/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 10.11.2015 gegen den am 26.10.2015 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Marl wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.950 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die am 05.04.2013 geborene Tochter des Antragsgegners. Die Beziehung des Antragsgegners zur Mutter der Antragstellerin, in deren Haushalt die Antragstellerin lebt, ist seit dem 10.07.2015 beendet.
Der Antragsgegner hat den Hauptschulabschluss nach der Klasse 10 erworben. Er hat eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner begonnen, diese aber nicht abgeschlossen. In der Folgezeit arbeitete er bei unterschiedlichen Zeitarbeitsfirmen. In einer Autowäsche erzielte er in der Vergangenheit ein monatliches Nettoeinkommen von 1.318 EUR. Seit Oktober 2014 ist der Antragsgegner arbeitslos. Er bezieht mittlerweile Leistungen nach dem SGB II.
Die Antragstellerin hat die Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2015 begehrt.
Mit Beschluss vom 22.09.2015 hat das AG - Familiengericht - Marl dem Antragsgegner aufgegeben, seine Ausbildungs- und Erwerbsbiografie und seine Bewerbungsbemühungen der letzten Wochen detailliert darzustellen. Mit am 26.10.2015 erlassenen Beschluss hat das Familiengericht den Antragsgegner sodann verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihrer Mutter für den Monat August 2015 einen Kindesunterhalt von 118,00 EUR und für die Zeit ab September 2015 laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 236,00 EUR zahlen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt:
Ein Anspruch auf Kindesunterhalt für den Monat Juli 2015 und für die Hälfte des Monats August 2015 bestehe nicht. In diesem Zeitraum habe der Antragsgegner mit dem Kind noch zusammengelebt und den Unterhaltsanspruch des Kindes durch Naturalleistungen erfüllt.
Der Antragsgegner habe im Übrigen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht genügt. Der Hinweis des Antragsgegners auf eine nicht abgeschlossene Berufsausbildung und auf den aktuellen Bezug von Sozialleistungen reiche dafür nicht aus, seine Leistungsunfähigkeit zu begründen. Vor seiner Arbeitslosigkeit habe der Antragsgegner noch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, mit der er 1.318 EUR netto monatlich verdient habe. Dieses Einkommen sei dem Antragsgegner als für ihn real erzielbar fiktiv zuzurechnen.
Selbst unter Berücksichtigung des von dem Antragsgegner zugestandenen Bruttostundenlohns von 10 EUR sei er unter Hinzurechnung einer zumutbaren Nebentätigkeit in der Lage, den geforderten Mindestkindesunterhalt sicherzustellen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten Beschluss des Familiengerichts sowie hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes auf die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Gegen den genannten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht bei dem Familiengericht eingegangenen Beschwerde. Er trägt vor:
Das Familiengericht habe ihn zu Unrecht zur Zahlung des Mindestkindesunterhalts verpflichtet. Zwar habe er für die Dauer von 5,5 Monaten tatsächlich ein Nettoeinkommen von 1.318 EUR erzielt. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch von Seiten des Arbeitgebers gekündigt worden, ohne dass ihn ein Verschulden getroffen habe. Auch bei zureichenden Erwerbsbemühungen sei er nicht in der Lage, einen solchen Job wiederzufinden. Einen solch gut bezahlten Job gebe es für Leute wie ihn auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich nicht. Allenfalls könne er einen Bruttostundenlohn von 10 EUR erzielen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag der Antragstellerin unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 26.10.2015, AZ: 43 F 91/15, zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit am 01.12.2015 erlassenen Beschluss hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Beschwerde des Antragsgegners keine Aussicht auf Erfolg hat und zudem angekündigt, im schriftlichen Verfahren entscheiden zu wollen. Eine Stellungnahme der Beteiligten zu dem genannten Beschluss des Senats ist nicht erfolgt.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Zu Recht hat das Familiengericht dem Antragsgegner in dem angefochtenen Beschluss ein fiktives Einkommen angerechnet, das die Zahlung des begehrten Kindesunterhalts ohne Gefährdung seines notwendigen Selb...