Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Erforderlichkeit von Erwerbsbemühungen eines untertariflich entlohnten Zeitarbeitnehmers bei Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem minderjährigen Kind
Leitsatz (amtlich)
Die bisherige Tätigkeit eines Unterhaltsschuldners im Rahmen von untertariflich entlohnten Zeitarbeitsverhältnissen ist kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden; dazu müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass er auch bei Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit nicht in der Lage ist, eine tariflich entlohnte Festanstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten.
Normenkette
BGB § 1603 II 1
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 03.12.2009; Aktenzeichen 11 F 378/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 3.12.2009 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Der Antragsgegner wird zur Zahlung von Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind P i.H.v. 100 EUR monatlich für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich September 2010 und i.H.v. 240 EUR monatlich ab Oktober 2010 verpflichtet, zahlbar für Mai 2010 an die Stadt N - Unterhaltsvorschusskasse - und für die Zeit ab Juni 2010 zu Händen der Antragstellerin.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens der ersten Instanz werden dem Antragsgegner zu 3/5, der Antragstellerin zu 4/5 auferlegt. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner 6/7, die Antragstellerin 1/7.
3. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.200 EUR bis zum 3.5.2010 und auf 600 EUR ab dem 4.5.2010 festgesetzt.
Gründe
I. Der am 15.10.1975 geborene Antragsgegner ist der leibliche Vater des am 20.2.1999 geborenen gemeinsamen Kindes der Beteiligten, P. Die beteiligten Eheleute sind türkische Staatsbürger. Sie haben sich nach ihrer Eheschließung am 6.1.1997 am 22.7.2009 voneinander getrennt. Am 27.10.2009 ist dem Antragsgegner der Antrag der Antragstellerin auf Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zugestellt worden. Seit dem 18.12.2009 ist die Ehe der Beteiligten rechtskräftig geschieden.
Das betroffene gemeinsame Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin. Diese bezieht für sich und das Kind Leistungen nach dem SGB II. Außerdem erhält sie Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind i.H.v. 158 EUR monatlich.
Der Antragsgegner lebt seit 1997 in Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt und ist der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. In der Zeit von 2001 bis 2004 war er zeitweise bei Leiharbeitsfirmen angestellt. In dieser Zeit hat er Einkünfte zwischen 6,60 EUR und 6,70 EUR brutto pro Stunde verdient. Seit August 2004 ist er arbeitslos.
Im Zuge der Trennung und Anmietung einer eigenen Wohnung hat er von seinem Vormieter Möbel zu einem Kaufpreis von 1.350 EUR erworben. Hierauf zahlt er Raten i.H.v. 100 EUR monatlich. Die Mietkaution für seine Wohnung betrug 630 EUR.
Erstinstanzlich hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für das gemeinsame Kind P ab Oktober 2009 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 240 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Familiengericht hat den Antragsgegner mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtet, an die Antragstellerin für das gemeinsame Kind monatlich 100 EUR Kindesunterhalt für die Zeit von Oktober 2009 bis einschließlich September 2009 und monatlich 240 EUR ab Oktober 2010 zu zahlen. Es hat dem Antragsgegner fiktives Einkommen aus einer Haupt- und gegebenenfalls einer zusätzlichen Nebentätigkeit zugerechnet, welches ihn in die Lage versetzt, den begehrten Kindesunterhalt ab Oktober 2010 zu leisten. Für eine Übergangsfrist von einem Jahr hat es ihm geringere Einkünfte in unbezifferter Höhe fiktiv zugerechnet, um ihm Gelegenheit zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 38 ff. d.A.) verwiesen.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Höhe des ihm fiktiv zugerechneten Einkommens. Er behauptet, er sei - jedenfalls - nicht in der Lage, mehr als 900 EUR netto monatlich zu verdienen. Er ist der Ansicht, zusätzliches Einkommen aus einer Nebentätigkeit könne ihm nicht zugerechnet werden.
Der Antragsteller hat zunächst beantragt, den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und die Klage abzuweisen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er seinen Beschwerdeantrag teilweise zurückgenommen, soweit er nicht von der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gedeckt war. Nunmehr beantragt er, den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin für die Zeit bis...