Entscheidungsstichwort (Thema)
geringwertige Sachen. besonders schwerer Fall. Diebstahl. Vorsatz
Leitsatz (amtlich)
Dass der bei einem Diebstahl entwendete Gegenstand tatsächlich geringwertig i.S.v. § 243 Abs. 2 StGB war, schließt allerdings die Anwendung von § 243 Abs. 1 StGB noch nicht aus. Dieser kann auch dann Anwendung finden, wenn sich der Vorsatz des Täters auf nicht geringwertige Sachen bezog.
Normenkette
StGB § 243 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 16 Ns 67/15) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche bzgl. der Taten vom xx.12.2014 z.N. Physiotherapiepraxis T-X bzw. Sanitätshaus H Urteilsgründe Nr. 1 und 2), xx.12.2014 (z.N. T; Urteilsgründe Nr. 3) und xx.04.2015 (Diebesfalle; Urteilsgründe Nr. 5) sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Coesfeld hatte den Angeklagten wegen "Diebstahls (im besonders schweren Fall) in fünf Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Für zwei versuchte Diebstahlstaten am xx. Dezember 2014, zwei vollendete Diebstahlstaten am xx. Dezember 2014 und xx. April 2015 hat es jeweils auf Einzelstrafen von einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe und für einen weiteren versuchten Diebstahl vom xx. April 2015 auf eine solche von einem Jahr erkannt. Die Einzelstrafe bezogen auf die Widerstandshandlung vom xx. April 2015 hat es mit 90 Tagessätzen zu je 10 Euro festgesetzt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe auf zwei Jahre ermäßigt und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er erhebt die - nicht näher ausgeführte - Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und führt zur teilweisen Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache insoweit (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 4 StPO.
1.
Die Einzelstrafzumessung bzgl. der im Tenor genannten Taten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Bzgl. dieser Taten kann der Senat nicht überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des Diebstahls in einem besonders schweren Fall nach § 243 Abs. 1 StGB bzw. in den Fällen des Versuchs den nach §§ 22, 23, 49 Abs. 1 StGB entsprechend gemilderten Strafrahmen zu Grunde gelegt hat, denn nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil kommt in Betracht, dass die Anwendung eines besonders schweren Falles jeweils nach § 243 Abs. 2 StGB ausscheidet, weil sich die Taten womöglich auf geringwertige Sachen bezogen haben.
Bei der Tat vom xx.12.2014 z.N. der Physiotherapiepraxis T-X hat der Angeklagte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil lediglich ein Porzellanei im Wert von 10 Euro entwendet. Dabei handelt es sich um eine geringwertige Sache, für die der Grenzwert bei 25 Euro liegt (BGH, Beschl. v. 09.07.2004 - 2 StR 176/04 = BeckRS 2004, 07428). Dass der objektive Wert des tatsächlich entwendeten Gegenstands unter dieser Grenze lag, schließt allerdings die Anwendung von § 243 Abs. 1 StGB noch nicht aus. Dieser kann auch dann Anwendung finden, wenn sich der Vorsatz des Täters auf wertvollere Sachen bezog (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 243 Rdn. 26 m.w.N.). Dies liegt zwar bei einem Einbruch in eine Physiotherapiepraxis wegen des dort zu erwartenden Bargelds, Computern nebst Zubehör etc. äußerst nahe, ist aber so nicht festgestellt worden.
Entsprechendes wie zur zuvor genannten Tat gilt bzgl. der Tat vom xx.12.2014. Der in der entwendeten Geldbörse befindliche Geldbetrag belief sich auf 10 Euro. Der Wert der Geldbörse selbst wird nicht mitgeteilt.
Bzgl. der Tat vom xx.12.2014 z.N. des Sanitätshauses H teilt der Tatrichter die Höhe des dort vorgefundenen Bargeldes nicht mit. Auch hier kann der Senat daher nicht überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt hat. Auch hier sind keine Feststellungen dazu getroffen, auf welchen Wert sich der Vorsatz des Angeklagten bezog.
Gleiches gilt bzgl. der am xx.04.2015 entwendeten Damenhandtasche.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht in den genannten Fällen bei Berücksichtigung des § 243 Abs. 2 StGB zur Anwendung eines milderen Strafrahmens und zu geringeren Einzelstrafen gelangt wäre.
Der Umstand, dass das Landgericht nicht straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte neben dem Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB auch das des § 243 Abs. 1 S.2 Nr. 3 StGB verwirklicht hat, beschwer...