Leitsatz (amtlich)
Auch eine geringfügige Wertdifferenz zweier gesetzlicher Anrechte im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG soll grundsätzlich nicht ausgeglichen werden. Allein die Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bei Nichterreichen der gesetzgeberischen Ziele des § 18 VersAusglG (Vermeiden von hohem Verwaltungsaufwand, Vermeiden von Splitterversorgungen) erzwingt den Ausgleich nicht (entgegen BGH, Beschluss vom 28.09.2016, XII ZB 325/16; BGH, Beschluss vom 12.10.2016, XII ZB 372/16).
Normenkette
VersAusglG § 18
Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 56 F 68/21) |
Tenor
I. Der Tenor des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Münster vom 27.07.2022 wird auf die Beschwerde vom 29.08.2022 hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich unter Ziffer 2. 1. und 2. Absatz abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. Vers01) findet nicht statt.
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. Vers02) findet nicht statt.
Im Übrigen verbleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichtes in Bezug auf den Versorgungsausgleich.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.656 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die am 17.09.2009 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und im Verbund den Versorgungsausgleich bezogen auf die Ehezeit vom 00.00.2009 bis 00.00.2021 durchgeführt.
Die Beschwerdeführerin hat zuvor mit Auskunft vom 22.03.2022 mitgeteilt, dass bei ihr für die Antragstellerin in der allgemeinen Rentenversicherung bezogen auf die Ehezeit ein Anrecht in Höhe von 3,9821 Entgeltpunkten mit einem Ausgleichswert von 1,9911 Entgeltpunkten (Kapitalwert 15.384,49 EUR) bestehe. Hinsichtlich des Antragsgegners besteht bei der Beschwerdeführerin ein Anrecht in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 7,7574 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 3,8787 Entgeltpunkten (Kapitalwert 29.969,26 EUR).
Mit Schreiben vom 12.07.2022 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie bezüglich des Anrechts der Antragstellerin neue Unterlagen erhalten habe, denen Kindererziehungszeiten / Berücksichtigungszeiten zu entnehmen seien. Es werde weitere Nachricht ergehen.
Mit Beschluss vom 27.07.2022 hat das Amtsgericht hinsichtlich der Anrechte der beteiligten Ehegatten aus gesetzlicher Rentenversicherung wie folgt entschieden:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. Vers01) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 1,9911 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto Vers02 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.08.2021, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. Vers02) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 3,8787 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto Vers01 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.08.2021, übertragen.
Bezüglich eines Anrechts der Antragstellerin aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der A Zusatzversorgungskasse B sind Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten worden, da im Zeitpunkt keine Ausgleichsreife bestand, weil die Mindestversicherungszeit noch nicht erreicht war. Ein Anrecht der Antragstellerin aus privater Altersvorsorge bei der Dbank C mit einem Ausgleichswert von 2.256,65 EUR ist gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen worden.
Gegen den ihr am 11.08.2022 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 29.08.2022 beim Oberlandesgericht Hamm sowie beim Amtsgericht Hamm Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben vom 02.09.2022 hat die Geschäftsstelle des Senats unter Bezugnahme auf die eingegangene Beschwerde die Akten beim Amtsgericht angefordert. Nach Vorlage der Akte am 18.10.2022 ist seitens des Senats eine Übersendung der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht Münster veranlasst worden. Die Beschwerde ist dort am 15.11.2022 per beA eingegangen.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin eine Berücksichtigung der weiteren anzuerkennenden Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten. Die Beschwerdeführerin beantragt, eine neue Auskunft für die Antragstellerin auszufertigen.
Mit Auskunft vom 10.01.2023 teilt sie mit, dass der Ehezeitanteil des Anrechts der Antragstellerin sich auf 7,3140 Entgeltpunkten belaufe und der Ausgleichswert 3,6570 Entgeltpunkte betrage (Kapitalwert 28.256,27 EUR).
Mit Beschluss vom 24.01.2023 ist den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats gegeben worden. Einwände gegen die beabsichtigte Entscheidung sind nicht erhoben worden.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig und begr...