Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die Berufung auf ein Augenblicksversagen macht es für den Tatrichter erforderlich, sich mit dem entsprechenden Vorbringen des Betroffenen auseinander zu setzen und zu prüfen, ob nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH ein Fahrverbot ggf. nicht festgesetzt werden kann, weil dem Betroffenen ein auch subjektiv grober Vorwurf nicht gemacht werden kann.

  • 2.

    Zum "Augenblicksversagen" bei einem Rotlichtverstoß.

  • 3.

    Wird im Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes nur die Straße genannt, auf der der Rotlichtverstoß begangen worden sein soll, nicht aber auch die genaue Lage der Lichtzeichenanlage, hat das keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, wenn der Betroffene im Übrigen dem Bußgeldbescheid entnehmen kann, welcher Verstoß ihm zur Last gelegt wird.

 

Verfahrensgang

AG Herne-Wanne (Entscheidung vom 20.01.2005)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herne-Wanne, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben wird, zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 II, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG" zu einer Geldbuße von 125 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 349 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, und hat in der Sache - zumindest vorläufigen - Erfolg.

1.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 10. Juli 2004 gegen 00.15 Uhr mit seinem Pkw in Herne auf der Berliner Straße eine Lichtzeichenanlage überfahren, die schon länger als eine Sekunde Rotlicht zeigte. Das angefochtene Urteil teilt außerdem mit, dass der Betroffene nach dem Abbiegen von der Hauptstraße auf die Berliner Straße relativ langsam gefahren sei und den Eindruck gemacht habe, "als ob er etwas suche und als ob er ortsunkundig sei". Der Betroffene hat mit Rechtsbeschwerde geltend gemacht, dass das Amtsgericht das Fahrverbot nicht habe verhängen dürfen, da es nur wegen eines "Augenblicksversagens" zu dem Rotlichtverstoß gekommen sei. Damit habe sich aber das Amtsgericht nicht auseinander gesetzt.

Die Rechtsbeschwerde weist damit zutreffend auf einen Rechtsfehler hin. Die amtsgerichtlichen Ausführungen sind lückenhaft (§ 267 StPO). Der Betroffene hat - zumindest ist nach den Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil zu seinen Gunsten davon auszugehen - ein so genanntes Augenblicksversagen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltend gemacht (vgl. BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 255; vgl. dazu auch Senat in DAR 1998, 150 = VRS 95, 59). Ohne ein entsprechendes Vorbringen des Amtsgerichts sind die Ausführungen im angefochtenen Urteil nämlich unverständlich. Die Berufung auf ein Augenblicksversagen macht es aber für den Tatrichter erforderlich, sich mit dem entsprechenden Vorbringen des Betroffenen auseinander zu setzen und zu prüfen, ob nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH (BGH, a.a.O.) ein Fahrverbot ggf. nicht festgesetzt werden kann, weil dem Betroffenen ein auch subjektiv grober Vorwurf nicht gemacht werden kann (Senat in NZV 1998, 164 = DAR 1998, 150 = zfs 1998, 232 = StraFo 1998, 186 = VRS 95, 58; VRS 100, 468 = NZV 2001, 355 = DAR 2001, 376 = zfs 2001, 381 = VM 2001, 93). Es bedarf dann näherer Feststellungen zu dem Verkehrsverstoß (Senat, a.a.O.). Das gilt vor allem auch dann, wenn der Tatrichter das Vorliegen eines so genannten "Augenblicksversagens" verneinen will.

Hier teilt das Amtsgericht nur im Rahmen der Beweiswürdigung den Eindruck des Zeugen G. mit, ohne sich mit der Einlassung des Betroffenen näher auseinander zu setzen. Das wäre jedoch erforderlich gewesen. Denn in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist bereits seit längerem anerkannt, dass bei einer so genannten leichten oder momentanen Unaufmerksamkeit, so z.B., wenn der Betroffene durch Adressensuche abgelenkt ist, von einem Fahrverbot abgesehen werden muss, weil dann bereits auf der Tatbestandsebene die Voraussetzungen für dessen Verhängung nicht vorliegen (vgl. OLG Hamm NZV 1996, 117 (Ls.); OLG Koblenz DAR 1994, 287). Das OLG Koblenz hat das zutreffend vor kurzem noch einmal für den der Suche nach einer Apotheke bestätigt (OLG Koblenz NJW 2004, 1400). Diese Umstände haben dann aber auch im Rahmen des Augenblicksversagen Bedeutung und sind vom Tatrichter näher aufzuklären.

2.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a)

Die vom Amtsgericht im Übrigen zum Rotlichtverstoß getroffenen Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Das gilt ebenfalls für die Beweiswürdigung. Der Senat hat aber aus Gründen der Klarheit dennoch das Urteil insgesamt mit sämtlichen Feststellungen aufgehoben.

b)

Es besteht - worauf schon die General...

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