Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Kläger einen Anlagenberater wegen fehlerhafter Beratung und Prospektfehlern in Bezug auf mehrere Kapitalanlagen mit unterschiedlichen Prospekten in Anspruch und verklagt er neben dem Anlageberater jeweils die Prospektverantwortlichen der Kapitalanlagen, die keinen gemeinsamen Gerichtsstand haben, können die Prospektverantwortlichen nicht als Streitgenossen anzusehen sein. Deswegen kann eine Gerichtsstandbestimmung, die es dem Kläger ermöglichen würde, alle Beteiligten in einem Rechtsstreit zu verklagen, unzulässig sein.

 

Normenkette

ZPO §§ 32b, 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung wird auf Kosten der Klägerin nach einem Streitwert von 8.400 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin beantragt die Bestimmung des Gerichtsstands gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für eine vor dem LG T erhobene Klage auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung und Prospektfehlern.

Die Klägerin erwarb nach ihrem Vortrag nach Beratung und/oder Vermittlung durch den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) - gegen die sie die Klage mittlerweile zurückgenommen hat - eine Beteiligung an verschiedenen Fonds, nämlich an der "T", deren Gründungsgesellschafterin der Beklagte zu 3) sei, an der "I", deren Gründungsgesellschafterin die Beklagte zu 4) sei sowie an der "G", deren Gründungsgesellschafterin die Beklagte zu 5) sei.

Der Beklagte zu 1) hat seinen Sitz in K. Der Beklagte zu 3) hat seinen Sitz in Stade, die Beklagten zu 4) hat ihren Sitz in C und die Beklagte zu 5) hat ihren Sitz in E.

Die Klägerin behauptet, nicht anleger- und objektgerecht beraten worden zu sein. Prospekte seien ihr nicht oder jedenfalls nicht vor der Zeichnung übergeben worden. Die Beratung sei auch aufgrund vorhandener Prospektfehler fehlerhaft erfolgt. Die Prospekte klärten über Haftungs- und andere Risiken nicht hinreichend auf.

Die Klägerin beantragt die Bestimmung des Gerichtsstands durch das Oberlandesgericht Hamm und vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen und zweckmäßig das LG T als zuständiges Gericht zu bestimmen sei. Unerheblich sei, ob einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand in T habe. Die Beklagte zu 4) ist der Meinung, dass mangels Streitgenossenschaft der Beklagten die Bestimmung des Gerichtsstands nicht möglich ist. Die Beklagte zu 5) ist der Auffassung, dass das Oberlandesgericht Hamm schon unzuständig sei und auch die Voraussetzung der Streitgenossenschaft fehle.

II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist zur Entscheidung über den Antrag gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO berufen, da das nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über den Gerichten des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten der Bundesgerichtshof ist und das zunächst angerufene LG T zu seinem Bezirk gehört.

2. Der Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist, da die Bestimmung nach dem Verfahrensstand unter Berücksichtigung des Zwecks des Bestimmungsverfahrens noch sinnvoll wäre.

3. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen jedoch nicht vor.

a) Allerdings ist ein gemeinsamer Gerichtsstand für alle Klagen, der die Bestimmung ausschlösse (vgl. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 36 ZPO Rn. 15 m.w.N.), nicht gegeben bzw. nicht sicher feststellbar.

Für die Klagen gegen den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 3), den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 4) sowie den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 5) ist jeweils ein ausschließlicher Gerichtsstand am Sitz des Anbieters nach § 32b ZPO begründet. Dass dieser für alle genannten Klagen am gleichen Gericht begründet ist, ist nicht (sicher) feststellbar.

(1) Für die Klagen gegen die Beklagten zu 3), 4) und 5) folgt der Gerichtsstand des § 32b ZPO aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

(a) Die Klagen haben jeweils einen Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation zum Gegenstand. Die Klägerin stützt ihre Klagen jeweils auch auf unzureichende oder falsche Prospektangaben (vgl. S. 20 ff. des Schriftsatzes 17.06.2015, Bl. 534 ff. d.A.).

(b) Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ist darüber hinaus nicht erforderlich, dass die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet ist. Der besondere Gerichtsstand ist vielmehr immer schon dann begründet, wenn es sich um eine Klage handelt, mit der nach dem beabsichtigten Klagevorbringen der Beklagte als Verantwortlicher des Prospekts für die Angaben in dem Verkaufsprospekt in Anspruch genommen werden soll. Eine Einschränkung dahin, dass die besondere Zuständigkeit auch bei einer Klage wegen der in § 32?b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen nur noch dann zu bejahen ist, wenn der Emittent, der Anbieter oder die Zielgesellschaft zu den Beklagten gehören, stünde in Widerspruch zum Zweck der Vorschrift und zum Ziel der Neuregelung (BGH, Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302,...

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