Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Kläger einen Anlageberater wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch, können die Voraussetzungen eines ausschließlichen Gerichtsstands gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO - auch wenn der Prospekt dem Kläger erst nach dem Vertragsabschluss überlassen wurde - erfüllt sein, wenn der Kläger dem Anlageberater in der Sache in Bezug auf Informationen aus dem Prospekt vorwirft, die behauptet irreführenden oder verharmlosten Prospektangaben ungeprüft in die Beratung übernommen zu haben.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 32b Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird festgesetzt auf 20.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz und Rückabwicklung wegen Berater- und Prospekthaftung geltend.
Nach dem Vorbringen des Klägers war der Beklagte zu 1) mit dem Kläger über einen langjährigen Anlagevermittlungs-, Beratungs- und Auskunftsvertrag verbunden und empfahl diesem eine Kapitalanlage in Form der Beteiligung an der K mbH & Co. KG "L". Der Kläger erklärte daraufhin gegenüber deren Komplementärin, der Y GmbH mit Sitz in I, den Beitritt zu der Fondsgesellschaft mit Einlagen in Höhe von insgesamt 75.000 EUR. Der Kläger trägt vor, die Beratung sei fehlerhaft erfolgt. Der Emissionsprojekt - in dem als Herausgeber die Komplementärin der Fondsgesellschaft genannt ist - sei ihm erst nach Zeichnung der Anlage zur Verfügung gestellt worden.
Die Beklagte zu 2) ist die in dem Emissionsprospekt genannte Vertriebsgruppe, der Beklagte zu 3) ist ausweislich des Prospekts Vertragsreeder. Der Kläger sieht die Beklagten zu 2) und 3) aufgrund der Angaben in dem Emissionsprospekt, in dem sie als Initiatoren der Schiffsbeteiligung bezeichnet sind und als solche den Verzicht auf eine Prospektprüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft begründen, als Prospektverantwortliche an.
Der Kläger vertritt die Auffassung, das angerufene LG Q - in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat und in dessen Bezirk die Beratung stattgefunden hat - sei gem. § 29 und 29c ZPO für die Klage gegen alle Beklagten zuständig. Hilfsweise hat er bereits vor dem LG Q die Vorlage des Rechtsstreits zur Bestimmung eines zuständigen Gerichts durch das Oberlandesgericht Hamm angeregt und nach Vorlage des Verfahrens durch das LG Q an den Senat ausdrücklich einen Antrag gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt.
Die Beklagten halten das LG P gem. § 32b ZPO für ausschließlich zuständig.
II. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands liegen nicht vor.
1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.
2. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandsbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Für die Klage ist ein ausschließlicher gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand aller Beklagten gem. § 32b ZPO bei dem LG P begründet.
a) Für die Beklagten zu 2) und 3) ist ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bei dem LG P begründet.
aa) Die Beklagten zu 2) und 3) werden auf Schadensersatz wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen in Anspruch genommen. Die Beteiligung an der K mbH & Co. KG "L" ist eine Kapitalmarktanlage. Der Prospekt, dessen Fehlerhaftigkeit der Kläger behauptet, ist eine öffentliche Kapitalmarktinformation.
bb) Auf die Stellung der Beklagten zu 2) und 3) als Emittent oder Anbieter kommt es nicht an. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gilt - unabhängig von der gleichzeitigen Inanspruchnahme der Anbieterin, des Emittenten oder der Zielgesellschaft - über den Wortlaut hinaus für Klagen gegen sonstige Prospektverantwortliche (BGH, Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13, juris Rn. 14 ff.; Senat, Beschluss vom 16.03.2015 - 32 SA 6/15, juris Rn. 6). Als solche für den Inhalt des Prospekts einzustehen haben diejenigen, die für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich sind. Das sind die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der so genannten "Hintermänner". Darüber hinaus haften auch diejenigen, die auf Grund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf Grund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (BGH, Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13, juris Rn. 16 m.?w. N.).
Auszugehen ist insoweit vom Vortrag des Klägers (vergleiche Vollkommer in: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 18 m.w.N.). Danach waren die Beklagte zu 2) als Vertriebsgesellschaft, die Beklagte zu 3) als Vertragsre...