Leitsatz (amtlich)
1. Das rechtliche Interesse an der Einholung eines Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren gem. § 485 Abs. 2 ZPO erfordert nicht, dass der Antragsteller als Käufer einer Immobilie darlegt und glaubhaft macht, dass die geltend gemachten Mängel in Anbetracht des Alters der Immobilie Sachmängel darstellen und der Verkäufer arglistig im Sinne § 444 BGB gehandelt hat.
2. Der Antragsteller, der Sachmängel i.S. § 434 BGB an einer Bestandsimmobilie geltend macht, muss allerdings gem. § 487 Nr. 2, 4 ZPO vortragen und glaubhaft machen, welche Mangelsymptome zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen. Dabei sind diese unter Einbeziehung der Lage im Bauwerk und dem zeitlichen Auftreten so genau zu beschreiben, dass der Gerichtssachverständige ohne eigene Sachverhaltsermittlung die gestellten Beweisfragen bearbeiten kann.
Normenkette
ZPO §§ 485, 487
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 1 OH 11/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 14.04.2022 gegen den Beschluss der ersten Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 31.03.2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Mit notariellem Vertrag vom 14.08.2020 (Urkundenrolle 00/2020 des Notars C in A) veräußerten die Antragsgegner das Erbbaurecht an dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück B ... in A unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel (Bl. 19 ff erstinstanzliche Akte, nachfolgend: eA) an die Antragsteller.
Mit Schriftsatz vom 09.12.2021 haben die Antragsteller gegen die Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den in der Antragsschrift näher aufgeführten Beweisfragen beantragt (Bl. 10 ff. eA).
Die Antragsgegner haben sich gegen den Antrag gewandt und sich dabei auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen (Bl. 87 ff. eA).
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 31.03.2022 den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Die Beweisfragen stellten zum Teil einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Die Antragsteller hätten zudem nicht dargelegt, inwieweit die beschriebenen Sachverhalte gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne darstellen sollen. In Anbetracht des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses sei überdies nicht dargetan, dass Ansprüche der Antragsteller gegen die Antragsgegner rechtlich möglich seien.
Mit Schriftsatz vom "14.04.2022", eingegangen beim Landgericht am 05.04.2022, haben die Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Trotz Ankündigung ist eine Begründung der Beschwerde nicht erfolgt. Daraufhin hat das Landgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen.
1. Allerdings ist die Begründung des Landgerichts fehlerhaft, soweit es darauf abstellt, dass bei den Beweisfragen nicht erkennbar dargelegt sei, inwieweit die beschriebenen Sachverhalte gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne darstellen sollen, und ausführt, wegen des Gewährleistungsanspruches müssten Umstände dargelegt sein, welche die Arglist der Antragsgegner begründen können.
Denn das Vordergericht verkennt insoweit, dass § 485 Abs. 2 ZPO lediglich ein rechtliches Interesse erfordert, das bereits dann anzunehmen ist, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.
Daraus folgt, dass es dem Gericht grundsätzlich verwehrt ist, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 29. November 2016 - VI ZB 23/16 -, Rn. 14 m.w.N., juris). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens steht deshalb nicht entgegen, dass sich der Antragsgegner auf einen Gewährleistungsausschluss beruft (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 485 ZPO, Rn. 7a m.w.N)
Die Fragen, ob gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne vorliegen und der Gewährleistungsausschluss einem Anspruch entgegensteht, sind der rechtlichen Prüfung (§§ 434 BGB a.F., 444 BGB) zuzuordnen. Auf diese darf deshalb die Ablehnung des Antrages nicht gestützt werden.
2. Im Ergebnis ist jedoch die Entscheidung des Landgerichts zutreffend, weil die Antragsgegner nicht die Tatsachen ausreichend glaubhaft gemacht haben, über die Beweis erhoben werden soll (§ 487 Nr. 2, 4 ZPO).
Die gegenständlichen Beweisthemen erfordern eine Substantiierung in Bezug auf die Beweistatsachen insoweit, als der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist und der Sachverständige eine Grundlage für die ihm übertragenen Tätigkeiten hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - VI ZB 11/15 -, Rn. 9, juris). Es ist unstatthaft, Beweisthemen ausforschend zu formulieren, die so unbestimmt sind, dass der Sachverständige zunächst einen Sachverhalt ermitteln muss, um...