Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 03.08.1993; Aktenzeichen 7 T 171/91) |
AG Essen (Aktenzeichen 86 VI 1607/89) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.
Unter Zurückweisung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) wird das Amtsgericht angewiesen, den der Beteiligten zu 1) unter dem 9. September 1993 erteilten Erbschein einzuziehen.
Die Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) die ihr im Verfahren der ersten Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Für das erste und zweite Verfahren der weiteren Beschwerde findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 80.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser war in erster Ehe mit … verheiratet. Aus dieser Ehe ist die Beteiligte zu 1) als einziges Kind hervorgegangen.
Die Eheleute errichteten am … ein gemeinschaftliches notarielles Testament (… des Notars … in …, das vom Amtsgericht nach dem Tode der Mutter der Beteiligten zu 1) … am 28.08.1975 und nach dem Tode des Erblassers … am 01.06.1989 eröffnet worden ist.
Das Testament hat folgenden Wortlaut:
§ 1
Wir setzen uns gegenseitig zum Vorerben unseres beiderseitigen gesamten Vermögens ein.
§ 2
Zu unserem Nacherben berufen wir unser gemeinsames Kind geboren am …
§ 3
Der Vorerbe von uns soll die Stellung eines beschränkten Vorerben erhalten.
§ 4
Sollte der überlebende bzw. Vorerbe von uns wieder heiraten, soll die Nacherbfolge sofort eintreten.
Der Erblasser war im Zeitpunkt der Testamentserrichtung 42 Jahre und seine Ehefrau 47 Jahre alt. Das Vermögen der Eheleute bestand im wesentlichen aus einem in den Jahren 1949 bis 1953 auf einem Erbbaugrundstück erbauten Haus, das ihnen je zur ideellen Hälfte gehörte.
Der Erblasser heiratete am 23.02.1989 die Beteiligte zu 2), mit der er seit 1979 zusammen lebte. Kinder sind aus dieser Verbindung nicht hervorgegangen. Eine weitere letztwillige Verfügung hat der Erblasser nicht errichtet.
Mit notariell beurkundetem Antrag vom 29.11.1989 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheines beantragt, der sie als Alleinerbin ihres Vaters ausweisen soll.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung von Zeugen mit Beschluß vom 29.01.1991 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen.
Auf die gegen diesen Beschluß eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht nach Einholung schriftlicher Auskünfte von Zeugen durch Beschluß vom 05.03.1992 den Beschluß des Amtsgerichts vom 29.01.1991 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) in dem Testament vom 13.10.1967 Abstand zu nehmen.
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat der Senat durch Beschluß vom 16.03.1993 die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht hat nach Vernehmung weiterer Zeugen durch Beschluß vom 03.08.1993 die Erstbeschwerde erneut zurückgewiesen.
Durch Verfügung des Richters des Amtsgerichts vom 09.09.1993 ist der Beteiligten zu 1) ein Erbschein dahingehend erteilt worden, daß der Erblasser von ihr allein beerbt worden sei.
Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 03.08.1993 wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer durch Anwaltsschriftsatz vom 10.09.1993 am selben Tag beim Oberlandesgericht eingelegten weiteren Beschwerde.
Sie begehrt nunmehr, den der Beteiligten zu 1) erteilten Erbschein einzuziehen. Die Beteiligte zu 1) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensablaufes und des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Senatsbeschluß vom 16.03.1993 und die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist wiederum aus den im Senatsbeschluß vom 16.03.1993 dargelegten Gründen zulässig.
Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht es nicht entgegen, daß das Amtsgericht inzwischen – entsprechend dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts – der Beteiligten zu 1) den beantragten Erbschein erteilt hat. Hat das Nachlaßgericht – wie hier – einen Erbschein erteilt, dann können mit Rücksicht auf dessen öffentlichen Glauben seine Wirkungen nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft beseitigt werden. Der Beteiligte, der die Richtigkeit des erteilten Erbscheins bezweifelt, hat dann die Wahl, entweder beim Nachlaßgericht die Einziehung gemäß § 2361 BGB anzuregen oder, wenn ihm ein Beschwerderecht (§ 20 Abs. 1 FGG) zusteht, gegen die Erteilung des Erbscheins unmittelbar Beschwerde einzulegen mit dem Ziel, daß das Beschwerdegericht das Nachlaßgericht zu dessen Einziehung anweist. Mit diesem Ziel ist das Rechtsmittel hier zulässig (vgl. Keidel-Winkler, FG, 13. Aufl., § 84 Rdnr. 5; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 81 Rdnr. 22).
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2) ist auch begründet, denn die Beschwerdeentscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 S. 1 FGG).
Die Beschwer...