Leitsatz (amtlich)
Die Begründung eines nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils muss die Umstände, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen sollten, ebenso ausführlich und vollständig enthalten, wie die Erwägungen des Tatrichters, sie als nicht genügende Entschuldigung anzusehen.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 09.03.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 13.06.2005 zu der Rechtsbeschwerde Folgendes ausgeführt:
I.
Die Stadt Bielefeld hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 23.08.2004 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 37 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 125,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt (Bl. 22 d.A.). Den dagegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Bielefeld in der Hauptverhandlung vom 09.03.2005 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen (Bl. 84, 84 R d.A.). Mit Schreiben seines Verteidigers vom 10.03.2005, eingegangen bei dem Amtsgericht Bielefeld per Telefax am selben Tage, hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 85, 86 d.A.) und diese nach Zustellung des Urteils an seinen Verteidiger am 23.03.2005 (Bl. 92 d.A.) mit Schreiben seines Verteidigers vom 25.04.2005, eingegangen bei dem Amtsgericht Bielefeld am selben Tage per Telefax (Bl. 102 f d.A.) begründet.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. In der Sache ist ihr auch ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
Mit der Verfahrensrüge macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zu Unrecht verworfen, weil er genügend entschuldigt gewesen sei. Die Rechtsmittelbegründung genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG. Ihr ist hinreichend zu entnehmen, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe für sein Nichterscheinen zur Hauptverhandlung, nämlich ein ärztliches Attest, das seine Arbeitsunfähigkeit aufgrund seiner Erkrankung belegt, verbunden mit dem Vortrag, aufgrund dieser Erkrankung reiseunfähig zu sein, vorgebracht hat. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Gericht habe diese Entschuldigung zu Unrecht als nicht ausreichend gewertet. Sie stellt damit in verfahrensrechtlich zulässiger Weise die angefochtene Entscheidung mit der Rüge, das Amtsgericht habe den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt, zur Überprüfung.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Urteilsbegründung des Amtsgerichts genügt bereits nicht den Anforderungen, die an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils zu stellen sind. Darin müssen nämlich die Umstände, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen sollten, ebenso ausführlich und vollständig enthalten sein, wie die Erwägungen des Tatrichters, sie als nicht genügende Entschuldigung anzusehen, damit dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung dieser Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit möglich ist (zu vgl. Göhler, OWiG, 13. Auflg., § 74 Rdn. 48 m.w.N.). Dies ist anhand der lückenhaften Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht möglich. Allein aus der Begründung, dass die von dem Betroffenen vorgetragene Arbeitsunfähigkeit nicht ausreiche, da Verhandlungsfähigkeit trotz Arbeitsunfähigkeit gegeben sein könne und die Reiseunfähigkeit des Betroffenen nicht belegt sei, ist für das Beschwerdegericht nicht ersichtlich, ob der Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung überhaupt zutreffend erkannt und angewendet worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 07.06.2001 - 3 Ss OWi 413/01 -). Das Urteil lässt bereits das konkrete Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen nicht erkennen, insbesondere womit der Betroffene seine Erkrankung bzw. Arbeitsunfähigkeit belegt hat. So lässt sich auch nicht beurteilen, ob das Amtsgericht im Wege des Freibeweises den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen.
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
Fundstellen