Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensarrest. Verhältnismäßigkeit. zeitliche Grenzen der Vollziehung. Vollziehungsfrist
Leitsatz (amtlich)
In zeitlicher Hinsicht ist der Vermögensarrest allein an dem allgemeinen Übermaßverbot zu messen. Eine gesetzliche Bestimmung zu zeitlichen Grenzen des Vollzugs eines Arrestes gibt es demgegenüber seit der ersatzlosen Streichung des § 111b Abs. 3 StPO a.F. nicht mehr.
Normenkette
StPO §§ 111e, 111f Abs. 1 S. 2, § 111j; ZPO § 929 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Entscheidung vom 28.12.2021; Aktenzeichen II - 6 Qs 36/21) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten A vom 18.01.2022 gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Arnsberg vom 28.12.2021 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23.06.2022 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die weitere Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
In dem vorliegenden Ermittlungsverfahren wird gegen den Beschwerdeführer sowie gegen einen weiteren Beschuldigten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt.
Der Beschuldigte betreibt seit dem Jahr 2012 den Imbiss "Pizza B" in C in Form eines Einzelunternehmens. Ihm wird vorgeworfen, im Zeitraum von Anfang 2015 bis November 2018 in großem Umfang Waren "schwarz" gegen anonymisierte Barverkaufsrechnungen bei der Firma D eingekauft und die aus den Einkäufen generierten Mehrumsätze nicht versteuert zu haben.
Auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Arnsberg hat das Amtsgericht Arnsberg mit Beschluss vom 16.10.2020 gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73, 73d, 73c StGB, § 370 AO zur Sicherung der Vollstreckung des staatlichen Anspruchs auf Einziehung des Wertes von Taterträgen für das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Arnsberg, als Gläubiger den Vermögensarrest in Höhe von 510.193,63 Euro in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers angeordnet. Zur Begründung hat das Amtsgericht - zusammenfassend - ausgeführt, dass der Beschuldigte der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO dringend verdächtig sei. Es bestehe der begründete Verdacht, dass der Beschuldigte aus "Schwarzkäufen" generierte Gewinne nicht versteuert habe und so Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Einkommenssteuer und Solidaritätszuschläge in Höhe der Arrestsumme verkürzt habe. Es läge auch ein Sicherungsbedürfnis für die Anordnung des Arrestes vor, da zu befürchten sei, dass der Beschuldigte alles tun werde, um sein Vermögen dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Der Arrest sei ferner auch verhältnismäßig. Zur Begründung der Höhe des angeordneten Arrestes hat das Amtsgericht mehrere seitens der Steuerfahndungsbehörden erstellte Tabellen zur Berechnung der aus den "Schwarzkäufen" generierten Mehrumsätze und Mehrgewinne sowie der hieraus ermittelten Steuerschäden im Arrestbeschluss wiedergegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Bezug genommen.
In Folge der Corona-Pandemie wurden in dem vorliegenden Ermittlungsverfahren zunächst weder vorgesehene Durchsuchungen durchgeführt, noch der Arrestbeschluss dem Beschuldigten zugestellt und vollzogen. Dies geschah erst Ende August 2021.
Der Beschuldigte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26.08.2021 Beschwerde gegen den Arrestbeschluss eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 31.08.2021 nicht abgeholfen hat.
Mit Beschluss vom 28.12.2021 hat die 6. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Arnsberg auf die Beschwerde des Beschuldigten den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Arnsberg aufgehoben, soweit darin ein Vermögensarrest in Höhe von mehr als 157.013,83 Euro angeordnet wurde, die Beschwerde im Übrigen verworfen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens ebenso wie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu 70% der Staatskasse auferlegt. Zur Begründung hat die Kammer - zusammengefasst - ausgeführt, nach Auswertung des Warenwirtschaftssystems des Gastronomie-Großhandels D sei ermittelt worden, dass "Weißlieferungen" und "Schwarzlieferungen" an die Pizzeria des Beschuldigten erfolgt seien. Den Verdacht stütze ferner ein bei der Durchsuchung bei der Firma D beschlagnahmter Kassenzettel eines Fahrers, der mutmaßlich den Erhalt von Bargeld durch "Pizza B" nach Lieferung "schwarzer Ware" belege. Schließlich habe der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 06.12.2021 grundsätzlich eingeräumt, von der Firma D zusätzlich "schwarz" beliefert worden zu sein. Es bestehe auch ein Sicherungsbedürfnis, zumal mehrere sich über mehrere Jahre erstreckende gegen das Vermögen gerichtete Taten vorlägen, bei denen mutmaßlich ein hoher Schaden entstanden sei. Der Vollzug des Arrestes, u.a. in zeitlicher Hinsicht, sei auch angemessen. Zwar datiere der Arrestbeschluss bereits auf den 16.10.2020, d...