Leitsatz (amtlich)
Zum Verschulden des Angeklagten hinsichtlich des Ausbleibens im Termin, wenn sein verspätetes Eintreffen auf Verkehrsbehinderungen und Einlasskontrollen des Gerichts beruht. .
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 11.02.2002) |
LG Bochum (Entscheidung vom 18.12.2001) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss vom 11. Februar 2002 wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.
Damit sind das Urteil vom 18. Dezember 2001 und die dagegen eingelegte Revision gegenstandslos.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
Der Angeklagte ist in erster Instanz durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 29. August 2001 wegen "gemeinschaftlich begangenen Diebstahls im besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden.
Durch das - auch - angefochtene Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Dezember 2001 ist seine Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden, weil er zur Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen sei.
Nach Zustellung des Urteils am 14. Januar 2002 hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Januar 2002 gegen dieses Urteil Revision eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Berufungshauptverhandlung beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er dargelegt, er habe für die 76 km lange Fahrt von Mönchengladbach nach Bochum bereits eine Zeitreserve einkalkuliert und zwei Stunden veranschlagt und sei deshalb um 7. 00 Uhr in Mönchengladbach losgefahren. Wegen plötzlich umgeschlagener ungünstiger Witterungsverhältnisse und vorhandener Baustellen habe er jedoch nicht pünktlich ankommen können. Er habe deshalb gegen 9. 00 Uhr bei der Geschäftsstelle der Strafkammer angerufen und mitgeteilt, er stehe in einem Stau und werde mit 20-minütiger Verspätung eintreffen. Als er um 9. 25 Uhr vor dem Gerichtsgebäude angekommen sei, habe er dieses nicht alsbald betreten können, da er wegen der Eingangskontrollen weitere 15 Minuten habe warten müssen und auch sein Hinweis gegenüber den kontrollierenden Wachtmeistern auf die Terminsladung nicht zu einem beschleunigten Einlass geführt habe.
Die Strafkammer hat den Wiedereinsetzungsantrag durch den angefochtenen Beschluss verworfen. Unter Hinweis auf fehlende Glaubhaftmachung und das dem Angeklagten mit der Ladung übersandte Merkblatt, beim Betreten des Justizgebäudes aufgrund der Sicherheitskontrollen könne es zu zeitlichen Verzögerungen von bis zu 30 Minuten kommen, habe die Kammer nach dem Anruf des Angeklagten, er stehe im Stau und werde mit einer Verspätung von 20 Minuten erscheinen, noch weitere 16 Minuten abgewartet und dann das Verwerfungsurteil nach § 329 StPO verkündet. Er habe daher nicht ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung versäumt, zumal er der Geschäftsstelle bereits eine unzutreffende Verspätungszeit mitgeteilt habe und es ihm darüber hinaus möglich gewesen wäre, durch einen weiteren Anruf die zusätzliche Verzögerung am Eingang mitzuteilen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig und hat - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - in der Sache Erfolg.
Der Angeklagte hat dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, rechtzeitig zum Beginn der Berufungshauptverhandlung zu erscheinen. Da in dem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO weder die Tatsache der telefonischen Mitteilung der Verspätung noch die gerichtsbekannte Tatsache der zeitlichen Verzögerung durch Eingangskontrollen gewürdigt worden ist, kann der Wiedereinsetzungsantrag auch auf diese Umstände gestützt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 329 Rdnr. 42 am Ende). Es bedurfte insoweit auch einer weitergehenden Glaubhaftmachung nicht, da es sich um aktenkundige bzw. gerichtsbekannte Tatsachen gehandelt hat.
Da der Angeklagte kurz vor 9. 00 Uhr mitgeteilt hat, dass er (noch) "im Stau stecke" und sich sein Eintreffen um ca. 20 Minuten verzögern werde und bekanntermaßen die für die Eingangskontrolle notwendige Zeit hinzuzurechnen war, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte eine unzutreffende Verspätungszeit mitgeteilt habe. Seine Mitteilung konnte sich naturgemäß nur auf die voraussichtliche Ankunftszeit am Gerichtsgebäude beziehen. Die weitergehende Verzögerung beruhte daher nicht auf dem Verschulden des Angeklagten, wobei bei der gegebenen Sachlage dahinstehen kann, ob die mit 7. 00 Uhr angegebene Abfahrtszeit in Mönchengladbach hinreichend glaubhaft gemacht worden ist.
Schließlich kann dem Angeklagten auch nicht angelastet werden, dass er eine ergänzende Mitteilung über die Verzögerung am Eingang nicht gemacht hat, weil es nicht darauf ankommt, dass er sich genügend entschuldigt hat, sondern dass er tatsächlich geh...