Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 106 II 9/20) |
Tenor
Der Senat lehnt eine Entscheidung ab.
Gründe
Der Senat hat eine Entscheidung über die Beschwerde abzulehnen, da er hierfür gerichtsverfassungsrechtlich nicht zuständig ist. Der Senat versteht die gezielte Verweisung des § 34c Abs. 6 PolG NW auf die verfahrensrechtlichen Regelungen des 7. Abschnitts des FamFG (Freiheitsentziehungssachen) dahingehend, dass der Gesetzgeber hiermit auch die gerichtsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des § 72 Abs. 1 S.2 GVG, die ihrerseits an den Begriff der Freiheitsentziehungssachen anknüpfen, für anwendbar erklärt hat.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bestehen gegen eine solche Sichtweise keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichtsverfassung und das Verfahrensrecht sind nach Art. 74 GG Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Landesgesetzgeber kann also insoweit eigene Regelungen treffen, als der Bund seine Gesetzgebungskompetenz nicht ausübt oder den Landesgesetzgebern eigene Regelungen vorbehält. Letzteres ist hier der Fall.
Bei dem vorliegenden polizeirechtlichen Streitfall handelt es sich ersichtlich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 S.1 VwGO. Für diese hat der Bundesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz mit der genannten Bestimmung zwar umfassend ausgeübt, er hat jedoch den Landesgesetzgebern in § 40 Abs. 1 S.2 VwGO eine abweichende Bestimmung der Rechtswegzuständigkeit und damit der anwendbaren Verfahrensordnung freigestellt, wenn es sich um ein auf Landesrecht beruhendes Streitverhältnis handelt. Stellt das Bundesrecht in einem solchen Fall innerhalb derselben Verfahrensordnung unter sachlichen Aspekten einen allgemeinen und einen besonderen Instanzenzug zur Verfügung, so ist nicht einsichtig, wieso der Landesgesetzgeber gehindert sein sollte, unter eben diesen sachlichen Gesichtspunkten diejenigen Verfahrensregeln für anwendbar zu erklären, die zu dem besonderen Instanzenzug führen.
In der Sache ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 34c Abs. 6 PolG NW gezielt auf die Verfahrensvorschriften für Freiheitsentziehungssachen verwiesen hat und nicht, wie etwa in § 42 Abs. 1 PolG NW, allgemein auf die Vorschriften des FamFG. Denn die Verweisung auf einen bestimmten verfahrensrechtlichen Rahmen erfasst regelmäßig auch die diesem zugrundeliegenden gerichtsverfassungsrechtlichen Regeln für den Instanzenzug (BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - 1 StB 16/11 = BeckRS 2012, 3448, Rdn. 3). Bestätigt wird diese Sichtweise im konkreten Zusammenhang durch die Gesetzgebungshistorie. Im ursprünglichen Entwurf des "Sechsten Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen" (Drucksache 17/2351 S.20) war in § 34c Abs. 6 S.2 PolG-E. lediglich eine allgemeine Verweisung auf das FamFG enthalten. Nachdem dies in der ersten Sachverständigenanhörung kritisiert worden war, ist durch einen ersten Änderungsantrag der Regierungskoalition (Drucksache 17/3865) die Fassung des § 34c Abs. 6 S.2 PolG NW in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden, die letztlich Gesetz wurde. Hiermit sollte ersichtlich eine Stärkung der verfahrensrechtlichen Garantien für den von einem Antrag nach § 34c PolG NW Betroffenen herbeigeführt werden, da § 420 FamFG, abweichend vom allgemeinen Teil des FamFG, die persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Gericht vorsieht. Sinn des besonderen Instanzenzuges nach § 72 Abs. 1 S.2 GVG ist es aber gerade, derartige Anhörungen durch das regelmäßig ortsnähere Landgericht zu erleichtern.
Fundstellen
Dokument-Index HI14033962 |