Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Auslieferung nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund der Besorgnis menschenrechtswidriger Haftbedingungen
Leitsatz (amtlich)
Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung ist derzeit unzulässig, weil die begründete und durch die bisherigen Auskünfte der rumänischen Behörden nicht ausgeräumte Besorgnis besteht, dass der Verfolgte im Hinblick auf den ihm lediglich zugesicherten persönlichen Haftraumanteil von 2-3 Quadratmetern menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sein wird.
Normenkette
IRG § 73; GG Art. 1; EMRK Art. 3
Tenor
- Der förmliche Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 02. August 2016 wird aufgehoben.
- Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Landgerichts Bacau vom 23. April 2016 (Az.: 1502/110/2009) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Bacau vom 06. März 2012 zur Last gelegten Straftaten in unzulässig.
Anordnung des mitunterzeichnenden Vorsitzenden:
Die sofortige Haftentlassung des Verfolgten in vorliegender Sache wird angeordnet.
Gründe
I.
Die rumänischen Behörden ersuchen auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Landgerichts Bacau vom 23. April 2014 -Az.: 1502/110/2009- (im Beschlusstenor versehentlich als Europäischer Haftbefehl vom 23. April 2016 bezeichnet) um die Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung. Dem Europäischen Haftbefehl liegt das Urteil des Landgerichts Bacau vom 06. März 2012 (Strafurteil Nr. 55) zugrunde, mit dem der Verfolgte zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden war. Ein gegen dieses Urteil eingelegtes Rechtsmittel hat das Berufungsgericht Bacau mit Strafentscheid Nr. 52 vom 26. März 2013 zurückgewiesen. Ein hiergegen gerichtetes weiteres Rechtsmittel des Verfolgten hat mit Strafentscheid Nr. 1166 vom 02. April 2014 des obersten Gerichts- und Kassationshofes zu einer Reduzierung der Freiheitsstrafe auf 2 Jahre geführt. Ob das Urteil des Landgerichts Bacau vom 06.03.2012 in An- oder Abwesenheit des Verfolgten ergangen ist, ergibt sich aus dem Europäischen Haftbefehl nicht eindeutig.
Dem Verfolgten wird Folgendes zur Last gelegt:
Der Verfolgte erreichte im Oktober 2007 in Bukarest in betrügerischer Absicht die Gewährung zweier Kredite durch die Banken "BRD-Gara de Nord" in Höhe von 11.000,00 € und der "MKB Romexterra Bank" in Höhe von 8.000,00 €, indem er dem jeweiligen Sachbearbeiter gefälschte Unterlagen über eine angebliche Anstellung bei der Firma T vorlegte und damit seine nicht existente Kreditwürdigkeit vortäuschte. In der Folgezeit schloss sich der Verfolgte der Bande des gesondert Verfolgten U an. Dabei warb er viele Personen an, die - in gleicher Tatausführung - Kredite auf der Basis einer vorgetäuschten Anstellung bei Firmen, die von anderen Bandenmitgliedern geführt wurden, beantragten. Dabei fuhr der Verfolgte die Personen nach Bukarest und stellte sie zur weiteren Tatausführung anderen Mitgliedern der Bande zur Verfügung. Dafür erhielt er Provisionen seitens des gesondert Verfolgten U bzw. dessen - nicht näher bezeichneten - Stellvertretern.
Der Senat hat mit Beschluss vom 02. August 2016 gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft angeordnet, auf dessen Ausführungen bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Bei der Verkündung dieses Auslieferungshaftbefehls durch den Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht Hamm am 12. August 2016 hat der Verfolgte sich erneut mit seiner Auslieferung nicht einverstanden erklärt. Als das Urteil verkündet worden sei, sei er in Deutschland gewesen. Es habe sich um eine organisierte Bande gehandelt. Er sei gezwungen worden, Arbeitsverträge zu unterschreiben und Geld abzuholen. Er habe Angst vor den Beteiligten. Er denke an seine Familie und wolle nicht ausgeliefert werden. Der Beistand des Verfolgten hat im Rahmen der Anhörung beantragt, den Auslieferungshaftbefehl gegen Meldeauflagen außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung hat er insbesondere auf die familiären Verhältnisse des Verfolgten verwiesen.
Im Hinblick auf von der Generalstaatsanwaltschaft veranlasste Fragen zu den Haftbedingungen hat die Nationalverwaltung der Haftanstalten in Rumänien mit Schreiben vom 08. August 2016 Folgendes ausgeführt:
Der Verfolgte werde zunächst für eine Quarantänezeit von 21 Tagen in der Justizvollzugsanstalt Bukarest-Rahova inhaftiert werden. Diese Anstalt habe 24 Quarantäneräume; in diesen Räumen stehen jedem Häftling ein individueller Mindestraum von 2-3 m2 zur Verfügung. Nach Beendigung der Quarantänezeit werde der Verfolgte in eine Haftanstalt in der Nähe seines Wohnsitzes überstellt; dies werde höchstwahrscheinlich die Justizvollzugsanstalt Galati sein. Im Folgenden werden Angaben zur Beleuchtung, Heizung sowie zur sanitären Einrichtung in der Haftanstalt Galati gemacht.
Abhängig von dem Verhalten des Verfolgten während der Strafvollstreckung bestehe nach der Vollstreckung von 1/5 der Strafe die Möglichkeit, dass ...