Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachtruhe. Einschluss. Einschlusszeit. Hausordnung. Sicherungsverwahrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der ab 21:30 Uhr beginnende Einschluss, der bis zum Beginn der Nachtdienstes um 22:00 Uhr einen Einschluss aller Untergerbrachten sicherstellt, ist aus nachvollziehbaren organisatorischen und Sicherheitsgründen im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW nicht zu beanstanden.

2. Der im SVVollzG NRW nicht definierte Begriff der "Nachtruhe", in der die Untergebrachten nach § 19 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden dürfen, ist "vollzugsspezifisch" zu verstehen, so dass der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zusteht, wonach sie Einzelheiten der Tageseinteilung und die Festlegung der (konkreten) Nachtruhezeit unter Berücksichtigung vollzugsorganisatorischer Gründe bestimmen kann und muss, was nach § 94 SVVollzG NRW dem/der Anstaltsleiter/in obliegt, der/die mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde eine Hausordnung erlässt, in der u.a. die Anordnungen über Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeeit aufzunehmen sind.

3. Wegen seines vollzugsspezifischen Verständnisses ist der Begriff der "Nachtruhe" an den Besonderheiten und (Organisations)Erfordernissen der Vollzugsanstalt zu messsen , so dass nicht nur eine vertretbare Entscheidung möglich ist.

 

Normenkette

SVVollzG NRW § 19 Abs. 2; SVVollzG NRW § 94

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 StVK 318/23)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 116 Abs. 1, 119 Abs. 3 StVollzG).

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG)

 

Gründe

Zusatz:

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 08. April 2014 in dem Verfahren III-1 Vollz (Ws) 141/14, in welchem ebenfalls die in der Hausordnung der JVA X für das Haus N (Sicherungsverwahrung) geregelte Nachtruhe von 21.30 Uhr bis 6.00 Uhr und der damit einhergehende Einschluss der Sicherungsverwahrten ab 21.30 Uhr Gegenstand war, unter anderem ausgeführt:

"Der Betroffene hat [...] keinen Anspruch darauf, dass die Einschlusszeit auf 22:00 Uhr verlegt wird. Die vom Antragsgegner auf 21:30 Uhr festgelegte Ruhezeit ist nicht zu beanstanden.

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit Untergebrachter regelt § 19 SVVollzG NRW.

Gemäß § 19 Abs. 1 SVVollzG NRW sollen die Untergebrachten durch die Tageseinteilung an eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung herangeführt werden, wobei die Tageseinteilung insbesondere Zeiten der Behandlung, Betreuung, Beschäftigung und Freizeit sowie der Nachtruhe umfasst. Außerhalb der Nachtruhe dürfen die Untergebrachten sich in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung einschließlich des Außenbereichs frei bewegen, wobei Einschränkungen zulässig sind, wenn die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe der Ordnung es erfordern oder ein schädlicher Einfluss auf andere Untergebrachte zu befürchten ist, § 19 Abs. 2 SVVollzG NRW.

Mit diesen gegenüber Strafgefangenen erheblich ausgeweiteten Aufschlusszeiten hat der Gesetzgeber den durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Abstandsgebot konkretisierten Vorgaben (vgl. BVerfGE 128, 326 ff.) Rechnung getragen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.09.2013, III - 2 Ws 303/13, zitiert nach juris, Rdnr. 83 ff.). Im Gegensatz zu Strafgefangenen, die nur eine Stunde Freigang pro Tag haben und sonst bei Nichtbeschäftigung in den Betrieben oder Hafthäusern in ihren Hafträumen - sofern sie nicht auf einer offenen Abteilung untergebracht sind - verbleiben müssen, können die Untergebrachten sich außerhalb der Nachtruhezeit grundsätzlich im Unterbringungsbereich frei bewegen. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit während dieses Zeitraums können sich durch Sicherheits- oder schwerwiegende Ordnungsgründe ergeben oder weil ein schädlicher Einfluss auf andere Untergebrachte zu befürchten ist, § 19 Abs. 2 Satz 2 SVVollzG NRW. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SVVollzG NRW obliegt der Vollzugsbehörde insoweit sowohl ein Beurteilungs- als auch ein Ermessensspielraum.

Der Begriff der "Nachtruhe", also der Zeit, in der die Untergebrachten in ihrer Bewegungsfreiheit nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 SVVollzG NRW eingeschränkt werden dürfen, ist im SVVollzG NRW selbst nicht definiert. In der Gesetzesbegründung zu § 19 SVVollzG NRW heißt es insoweit: "Der Begriff der Nachtruhe ist vollzugsspezifisch zu verstehen und umfasst in der Regel die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr" (LT-Drs. 16/1435 S. 75). Die Gesetzesbegründung entspricht hinsichtlich des Zeitraums der Nachtruhe beispielsweise § 9 Abs. 1 Landes-Immissionsschutzgesetz NRW, wonach der Schutz der Nachtruhe ebenfalls den Zeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr umfasst.

Das gesetzliche Leitbild für die Nachtruhe bzw. der Regelfall ist danach die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Die Nachtruhe "vollzugsspezifisch" zu verstehen bedeutet dabei, dass der jeweiligen ...

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