Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens kann zum Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemacht werden (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung und Anschluss an OLG Hamburg, Beschluss vom 05.12.2018 - 2 W 95/18 - und KG Berlin, Beschluss vom 12.08.2021 - 19 W 82/21)
Normenkette
BGB § 2368; FamFG § 354
Verfahrensgang
AG Essen (Aktenzeichen 158 VI 1110/23) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß dem Antrag der Beteiligten vom 16. Mai 2023 (UVZ-Nr. N01/2023 des Notars N. in H.) erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
Gründe
I Die Erblasserin errichtete drei privatschriftliche Testamente.
In ihrem Testament vom 14. Februar 2010 setzte sie die Y. Stiftung mit Sitz in E. als Erbin ein und ordnete Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin zur Abwicklung des Nachlasses berief sie die Beteiligte. Die Erblasserin befreite die Testamentsvollstreckerin "soweit gesetzlich zulässig, von allen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB".
Mit Einzeltestament vom 17. Oktober 2010 änderte und ergänzte sie das Testament vom 14. Februar 2010.
Am 5. März 2018 errichtete sie unter Aufhebung aller bereits getroffenen letztwilligen Verfügungen ein Einzeltestament, in dem sie die W. GmbH als Erbin benannte und die Beteiligte zur Testamentsvollstreckerin berief. Zur Durchführung ihrer Aufgaben befreite die Erblasserin die Testamentsvollstreckerin "soweit zulässig, von allen gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB" und ordnete an, dass die Testamentsvollstreckerin in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist.
Mit Schreiben vom 12. April 2023 erklärte die Beteiligte gegenüber dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Essen die Annahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin.
Mit notarieller Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Mai 2023 (dessen UVZ-Nr. N01/2023) hat die Beteiligte die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses mit dem Inhalt beantragt, dass der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen, weil eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht aufzunehmen sei. Die Beteiligte hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat die Akte Amtsgericht Essen 158 IV 696/23 beigezogen. Er hat die im Testament vom 5. März 2018 eingesetzten Erbin auf das Recht hingewiesen, als Beteiligte zum Verfahren hinzugezogen zu werden und Anträge zu stellen. Die im Testament vom 5. März 2018 eingesetzte Erbin hat erklärt, am Verfahren nicht beteiligt werden zu wollen und keine Anträge zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Akte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat Erfolg und führt in Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Nachlassgerichts zur tenorierten Feststellung (§§ 2368 BGB, 354 Abs. 1, 352e Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG).
Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses liegen vor.
Dem Testamentsvollstrecker ist gemäß § 2368 BGB auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung zu erteilen. Gemäß § 354 Abs. 2 FamFG sind Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, in das Zeugnis aufzunehmen. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthält das Gesetz nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen sind im Testamentsvollstreckerzeugnis im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs jedoch alle Abweichungen von der gewöhnlichen Rechtsmacht eines Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich sind (vgl. Erman/Simon, BGB, 17. Auflage, § 2368 Rn. 8; Grziwotz in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, § 2368 Rn. 37). Hierzu zählen nicht nur Beschränkungen der Regelbefugnisse, sondern auch Erweiterungen.
Von diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht bei Erlass des angegriffenen Beschlusses im Grundsatz zutreffend ausgegangen. Das Amtsgericht ist zutreffend weiter davon ausgegangen, dass ein Testamentsvollstreckerzeugnis nur erteilt werden kann, wenn es mit dem gestellten Antrag inhaltlich vollständig übereinstimmt (vgl. nur Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage, § 2368 Rn. 6). Es hat den Antrag des Beteiligten zurückgewiesen, weil es - wie der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung - d...