Leitsatz (amtlich)
Das Gericht, an das ein fristgebundenes Rechtsmittel fälschlicherweise übersandt wurde, ist nicht verpflichtet, das Rechtsmittelschreiben unter Anwendung von Eilmaßnahmen an das zuständige Gericht zu übersenden. Es ist lediglich die Weiterleitung im normalen Geschäftsgang erforderlich. Das gilt selbst dann, wenn sich der Eingabe neben dem korrekten Adressaten (für einen Juristen) sogleich entnehmen lässt, dass Fristversäumnis droht (Bestätigung von OLG Hamm NJW 1997, 2829).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 16.11.2007; Aktenzeichen 6 Ns 84/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lübbecke hat den Verurteilten mit Urteil vom 26.04.2007 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 16.11.2007 gemäß § 329 StPO verworfen. Das Urteil ist dem Angeklagten am 26.11.2007 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 29.11.2007, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am 04.12.2007, hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, betreffend die Versäumung der Hauptverhandlung beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch hat das Landgericht Bielefeld mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, da es verspätet angebracht und Wiedereinsetzungsgründe nicht glaubhaft gemacht worden seien. Dieser Beschluss nebst Rechtsmittelbelehrung ist dem Angeklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 80 d.A.) am 20.12.2007 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 22.12.2007 hat der Angeklagte dagegen sofortige Beschwerde eingelegt. Das Schreiben ist am 27.12.2007 im Nachtbriefkasten des Amtsgerichts Lübbecke eingegangen und von dort aus am 28.12.2007 an das Landgericht Bielefeld weitergeleitet worden, wo es am 02.01.2008 einging.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.
Sie wurde nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO, also hier bis zum 27.12.2007, bei dem Gericht, von dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (§ 306 StPO), hier also dem Landgericht Bielefeld, eingelegt.
2.
Es ist hier auch keine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur sofortigen Beschwerde von Amts wegen zu gewähren, da das Beschwerdeschreiben zwar an das richtige Gericht gerichtet ist, aber bei dem falschen Gericht in den Briefkasten eingeworfen wurde, wobei sich der Angeklagte (das wird aus dem Fehlen einer Briefmarke oder sonstiger Wertzeichenstempler ersichtlich) nicht eines Briefbeförderungsunternehmens bedient hat. Wird aber ein Schreiben von dem Beschwerdeführer trotz entsprechender Rechtsmittelbelehrung bei dem falschen Gericht eingeworfen, so ist dies schuldhaft (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 44 Rdn. 12). Dieses wird hier auch nicht dadurch gehindert, dass das Schreiben, welches am letzten Tag der Frist beim Amtsgericht Lübbecke einging, nicht unter Anwendung von entsprechenden Eilmaßnahmen an das Landgericht Bielefeld weitergeleitet wurde. Ob das überhaupt möglich war, ist fraglich (wenn der Einwurf nach Dienstschluss am 27.12.2007 erfolgte). Das kann aber dahinstehen. Nach überwiegender Rechtsprechung liegt nur dann ein das Verschulden des Beschwerdeführers ausschließendes Verschulden der Justizbehörden vor, wenn die Schrift bei der unzuständigen Stelle so rechtzeitig eingeht, dass sie bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang noch rechtzeitig an das zuständige Gericht hätte weitergleitet werden können (OLG Braunschweig NStZ 1988, 514; OLG Düsseldorf NStZ 1984, 184; OLG Hamm NJW 1997, 2829, 2830; OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 272, 273 jew. m.w.N.). Das war aber hier nicht der Fall. Selbst bei Übersendung des Schreibens noch am 27.12.2007 an das Landgericht, wäre es dort erst nach Fristablauf eingegangen.
Das Amtsgericht war nicht verpflichtet, Eilmaßnahmen zur Übersendung des Schreibens zu ergreifen. Teilweise wird zwar vertreten, dass solche aus Gründen der prozessualen Fürsorgepflicht ergriffen werden müssen, wenn sich der Eingabe neben dem korrekten Adressaten sogleich entnehmen lässt, dass der Ablauf der Rechtsmittelfrist unmittelbar bevorsteht und anderenfalls deren Versäumung droht (OLG Hamm NZV 2004, 50 f.; vgl. auch: OLG Zweibrücken NJW 1982, 1008). Dem Beschwerdeschreiben war der richtige Adressat ohne weiteres zu entnehmen. Auch ging aus dem Einleitungssatz hervor, dass es sich um eine sofortige Beschwerde handelt und wann die angefochtene Entscheidung dem Betroffenen zugestellt wurde, so dass dem Rechtskundigen der Fristablauf erschließbar war. Der genannten Ansicht vermag sich der Senat aber nicht anzuschließen. Er verbleibt bei seiner Auffassung, wie sie auch in der Senatsentscheidung NJW 1997, 2829 niedergelegt ist. Darin heißt es:
"Soweit eine Verpflichtung eines angegangenen unzuständigen Gerichtes zur Ergreifung derartiger Eilmaßnahmen aus der auch diesen Gerichten obliegenden prozessualen Fürsorgepflicht hergeleitet wird, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Im R...