Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung eines Verwerfungsurteils gemäß § 329 Abs. 1 StPO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil muss so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann, und sich mit allen geltend gemachten und sonstigen als Entschuldigung in Betracht kommenden Tatsachen (hier: einer vor der Terminierung gebuchten Urlaubsreise) auseinandersetzen. Dies gilt auch dann, wenn der Vorsitzende der Strafkammer bereits vor der Hauptverhandlung einen auf die urlaubsbedingte Abwesenheit des Angeklagten gestützten Terminsverlegungsantrag abschlägig beschieden hatte. Denn über die Frage, ob eine genügende Entschuldigung vorliegt oder nicht, hat das Berufungsgericht zu entscheiden, das an die der Ablehnung des Verlegungsantrags zugrundeliegende Auffassung des Vorsitzenden nicht gebunden ist.

 

Normenkette

StPO § 329 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 38 Ns 42/16)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Revision ist zulässig und hat in der Sache vorläufig Erfolg. Sie führt seine Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Dortmund.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Zuschrift vom 12.12.2016 unter anderem Folgendes ausgeführt:

"I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Hamm vom 07.03.2016 - 51 Ds 347/15 - wegen gefährlicher Körperverletzung unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden (Bl. 94 ff. d. A.). Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund mit Urteil vom 04.10.2016 gem. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen (Bl. 244, 244R d. A.), weil der Angeklagte trotz nachgewiesener Ladung zum Berufungstermin (Bl. 169, 169R. d. A.) der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten war.

Gegen dieses, auf Anordnung des Vorsitzenden vom 06.10.2016 (Bl. 248 d. A.) seinem Verteidiger am 18.10.2016 zugestellte (Bl. 253 d. A.) Urteil hat der Angeklagte mit bei dem Landgericht Dortmund am 07.10.2016 eingegangenem Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage (Bl. 245 d. A.) Revision eingelegt und diese mit weiterem bei dem Landgericht Dortmund am 17.11.2016 eingegangenem Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage (Bl. 255 ff. d. A.) mit der Verletzung des § 329 StPO näher begründet.

II.

Nach hiesiger Auffassung ist eine Entscheidung bereits veranlasst. Das Protokoll der Hauptverhandlung ist zwar erst am 11.10.2016 und damit nach der Zustellungsanordnung fertig gestellt worden. Dies ist aber unschädlich, wenn - wie hier - die tatsächliche Zustellung erst nach der Fertigstellung erfolgt. Insoweit ist der Tag des Eingangs beim Zustellungsempfänger maßgeblich, eine frühere Absendung schadet nicht (zu vgl. Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., § 273 Rn. 33.)

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat in der Sache auch - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO setzt die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2000, 84 [85]; Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl. 2015, § 329 Rdn. 48). An die Zulässigkeit dieser Rüge werden keine strengen Anforderungen gestellt, zumal das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die in der Revisionsbegründung nicht wiederholt zu werden brauchen, gebunden ist (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2000, 84 [85]). Ihr muss zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO rügen will, dass nämlich das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt hat. Diesen Grundsätzen dürfte das Revisionsvorbringen des Angeklagten gerecht werden.

Das insoweit zulässig angefochtene Urteil ist allein deshalb aufzuheben, weil die Begründung des angefochtenen Verwerfungsurteils aus Rechtsgründen zu beanstanden ist. Sie genügt nicht den an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen. Ein solches Urteil muss so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281). Nur wenn Entschuldigungsgründe weder vorgebracht noch sonst ersichtlich sind, genügt die formularmäßige Verwerfung ohne nähere Begründung. Andernfalls muss sich das Urteil mit allen geltend gemachten und sonstigen als Entschuldigung in Betracht kommenden Tatsachen auseinandersetzen (zu vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 329 Rn. 33). Daran fehlt es hier. Die hier in Rede stehende Urlaubsreise war bereits vor dem...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge