Leitsatz (amtlich)
Nächsthöheres gemeinsames Gericht im Sinne des § 5 Abs. 1 FamFG ist das im jeweiligen Rechtszug übergeordnete Gericht.
Normenkette
FamFG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
AG J. (Aktenzeichen IB-17840-17) |
AG U (Aktenzeichen TE-1082-9) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Grundbuchamt wird das Grundbuchamt des AG J bestimmt.
Gründe
Als Grundbuchamt, welches zur Entscheidung über den Antrag auf Vereinigung der im vorstehenden Rubrum bezeichneten Grundstücke zu entscheiden hat, wird das Grundbuchamt des AG J bestimmt.
1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß §§ 5 Abs. 1 S. 3 GBO, 5 FamFG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Grundbuchamts berufen, denn es ist im vorliegenden Fall das "nächsthöhere gemeinsame Gericht" im Sinne des § 5 Abs. 1 FamFG.
Die in § 5 Abs. 1 FamFG verwendete Bezeichnung "nächsthöheres gemeinsames Gericht" ist ihrem Wortsinn nach mehrdeutig.
Sprachlich ist sowohl ein Verständnis möglich im Sinne des allgemeinen gesetzlichen Aufbaus aller Gerichte, die überhaupt mit Verfahren in Familiensachen sowie den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 1 FamFG) befasst sein können, als auch ein Verständnis im Sinne der gesetzlichen Rechtswegzuständigkeit der jeweiligen Verfahrensart. Bei einer Auslegung im Sinne des generellen Gerichtsaufbaus wäre das LG Münster das örtlich und funktionell "nächsthöhere gemeinsame Gericht" im Sinne des § 5 Abs. 1 FamFG, denn beide beteiligten AGe liegen im Bezirk des LG Münster und die LGe sind als Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 12 GVG) auch mit Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit befasst, vgl. §§ 71, 72 GVG. Bei einem Verständnis im Sinne der gesetzlichen Rechtswegzuständigkeit der jeweiligen Verfahrensart wäre dagegen das Oberlandesgericht Hamm das örtlich und funktionell "nächsthöhere gemeinsame Gericht" im Sinne des § 5 Abs. 1 FamFG, denn die Oberlandesgerichte sind die Gerichte der zweiten Instanz in Grundbuchsachen (§ 119 Nr. 1b GVG) und beide beteiligten AGe liegen im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. § 72 GBO).
Entsprechend den beiden sprachlich möglichen Verständnisvarianten werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, wie das "nächsthöhere gemeinsame Gericht" zu bestimmen ist.
Die seit In-Kraft-Treten des FamFG veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Oldenburg FGPrax 2012, 284; OLG Stuttgart FGPrax 2011, 326; OLG Stuttgart FGPrax 2011, 299) und ein Teil der Literatur befürworten eine Auslegung im Sinne des allgemeinen Gerichtsaufbaus (Pabst in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage, § 5 Rn. 15; Schöpflin in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Auflage, § 5 Rn. 13; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Auflage, § 5 Rn. 34; Jacoby in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG; 2. Auflage, § 5 Rn. 8.1; Bahrenfuss, FamFG, § 5 Rn. 9; speziell für das Grundbuchverfahren Waldner in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Auflage, § 1 Rn. 10). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass § 5 FamFG nicht auf § 119 GVG verweise. Teilweise wird zudem hervorgehoben, dass § 5 Abs. 1 FamFG - anders als § 36 Abs. 1 ZPO - nicht die klarstellende Formulierung "im Rechtszug" enthalte (OLG Oldenburg a.a.O., Jacoby a.a.O.). Ein anderer Teil der Literatur spricht sich dagegen für ein Verständnis im Sinne der jeweiligen Rechtswegzuständigkeit aus (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Auflage, § 5 Rn. 29; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Auflage, § 5 Rn. 12; Gottwald in: Bassenge/Roth, FamFG/RPflG, 12. Auflage, § 5 Rn. 12; grundsätzlich ebenfalls Musielak/Borth, FamFG, 5. Auflage, § 5 Rn. 6).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Ist - wie vorliegend - eine gesetzliche Formulierung in sprachlicher Hinsicht nicht eindeutig und lässt mehrere, nicht übereinstimmende Interpretationen zu, ist bei der Auslegung insbesondere auf den Normzweck und die Entstehungsgeschichte zu achten (vgl. auch Sternal a.a.O.). Ausdrücklich verfolgte der Gesetzgeber bei der Schaffung des zum 1.9.2009 in Kraft getretenen FamFG als einer zusammenhängenden Verfahrensordnung allgemein u.a. das Ziel einer "Koordinierung mit den anderen Verfahrensordnungen", wofür im Interesse der Übersichtlichkeit und der Rechtssicherheit "alle nicht gebotenen Abweichungen gegenüber anderen Verfahrensordnungen vermieden werden" sollten (BT-Drucksache 16/6308, S. 164). Dieses allgemein mit dem FamFG verfolgte Ziel war für den Gesetzgeber auch speziell bei der Fassung des § 5 FamFG bestimmend, denn mit dieser Norm sollte "eine Angleichung an die Bestimmung der der Zuständigkeit gemäß den Vorschriften der ZPO erreicht werden" (BT-Drucksache 16/6308, S. 164). Diese unmissverständlich hervorgehobene Intention schließt es nach Auffassung des Senats aus, die mehrdeutige Bezeichnung des § 5 Abs. 1 FamFG "das nächsthöhere gemeinsame Gericht" in einem aufgrund der Wortwahl zwar möglichen, vom Gesetzgeber aber gerade nicht gewünschten Sinn zu verstehen. Die Auffassung des OLG Oldenburg (a.a.O.), das gesetzgeberische Ziel der Angleichung habe sich vorrangig auf den Katalog der Fallgestaltungen der Kompetenzko...