Leitsatz (amtlich)
Wer vorwerfbar durch Kündigung seinen Arbeitsplatz aufgibt, dem kann im Verfahrenskostenhilfeverfahren ein fiktives Einkommen zugerechnet und im Ergebnis Verfahrenskostenhilfe versagt werden.
Normenkette
ZPO § 115
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 11.03.2013; Aktenzeichen 103 F 383/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 25.3.2013 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Essen vom 11.3.2013 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N, Essen, beigeordnet. Der Antragsgegner hat monatliche Raten i.H.v. 95 EUR zu zahlen.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Kündigung bei seinem Arbeitgeber und auf ein aufgrund seiner Arbeitslosigkeit geringeres Einkommen beruft. Grundsätzlich ist es anerkannt, dass einer Verfahrenskostenhilfe beantragenden Partei fiktive Einkünfte zugerechnet werden können, wenn diese rechtsmissbräuchlich handelt. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn die Bedürftigkeit durch die Aufgabe der Arbeitsstelle vorsätzlich herbeigeführt wurde (BGH FamRZ 2009, 3658; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 115 Rz. 6; Musielak-Fischer, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 115 Rz. 9).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner seine Bedürftigkeit durch die Kündigung vom 29.11.2012 selbst herbeigeführt. Nachvollziehbare Gründe hat der Antragsgegner für sein Verhalten nicht angegeben. Aus dem vorgelegten Attest vom 19.3.2013 ergibt sich lediglich, dass der Antragsgegner am 30.11.2012 seinen Hausarzt aufgesucht hat. Aus diesem Attest ergibt sich jedoch keine Diagnose, die auf eine ernste und dauerhafte Erkrankung schließen lässt. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Antragsgegner in der Folgezeit weiterhin ärztlich behandeln ließ. Soweit er sich als Mobbingopfer sieht, ist dies nicht näher substantiiert worden. Im Übrigen hätte der Antragsgegner vor der Kündigung weniger einschneidende Maßnahmen ergreifen müssen.
Auch die Bundesagentur für Arbeit ging nach dem Schreiben vom 8.1.2013 davon aus, dass es keinen wichtigen Grund gab und hat deshalb eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III von 12 Wochen verhängt.
2. Allerdings führt die vorwerfbare Kündigung des Antragsgegners nicht dazu, dass Verfahrenskostenhilfe insgesamt zu verweigern ist. Vielmehr ist von einem fiktiven Einkommen auszugehen, das der Antragsgegner ohne die Kündigung erzielen würde (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 1725; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 115 Rz. 6).
Im vorliegenden Fall ist das bei der Firma O vor der Kündigung erzielte Einkommen weiter fortzuschreiben. Nach Abzug der Belastungen errechnet sich eine monatliche Rate von 95 EUR, was sich aus der nachfolgenden Berechnung ergibt:
Betrag in EURO |
Bruttoeinkommen |
3275 |
Steuern |
-575,83 |
Sozialversicherung |
-717,42 |
Abzug VWL |
-100 |
Monatsticket |
-60 |
Wohnkosten |
-300 |
angemessene Raten |
-350 |
Unterhalt Eric |
-272 |
Freibetrag |
-442 |
Freibetrag Erwerbstätige |
-201 |
256,75 |
Rate nach § 115 ZPO
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 4 ZPO, KV 1812.
Fundstellen
FamRZ 2014, 410 |
FuR 2014, 365 |