Leitsatz (amtlich)
Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Voraussetzungen von Verfahrenskostenhilfe ist grundsätzlich nur tatsächlich erzieltes Einkommen des bedürftigen Beteiligten heranzuziehen. Fiktives Einkommen kann nur ausnahmsweise angerechnet werden, wenn das Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür feststellen kann, dass der Beteiligte ihm offensichtlich zu Verfügung stehende Erwerbsmöglichkeiten leichtfertig ungenutzt lässt und dadurch seine Bedürftigkeit, die er ohne weiteres beheben könnte, in mißbräuchlicher Weise selbst herbeiführt. Dass der Beteiligte einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, reicht dafür als Anhaltspunkt für sich allein nicht aus.
Verfahrensgang
AG Meißen (Aktenzeichen 6 F 34/18 eA) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 26.04.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 23.03.2018 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz mit Wirkung ab 18.01.2018 bewilligt.
2. Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwältin xxx, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
3. Der Antragsgegner hat auf die voraussichtlichen Kosten der Verfahrensführung keine Zahlungen zu leisten.
Gründe
I. Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Antragsgegner für seine Rechtsverteidigung in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung zur Regelung des Umgangsrechts und Herausgabe des Kindes mit Wirkung ab 22.01.2018 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt (Ziffern 1 und 2 des Beschlusstenors) und die Zahlung monatlicher Raten i.H.v. 151,00 EUR auf die voraussichtlichen Kosten der Verfahrensführung angeordnet (Ziffer 3 des Beschlusstenors).
Im Rahmen der Berechnung des für die Verfahrenskosten einzusetzenden Einkommens des Antragsgegners hat es diesem neben seinem tatsächlich erzielten Jahreseinkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. insgesamt 23.384,24 EUR ein fiktives Jahresnettoeinkommen i.H.v. weiteren 4.500,00 EUR zugerechnet, weil der Antragsgegner nur 30 statt 40 Wochenstunden arbeite, obwohl eine Betreuung seines volljährigen Sohnes in seinem Haushalt nicht mehr erfolge und auch im Übrigen keine Rechtfertigung mehr dafür ersichtlich sei, dass er seine Arbeitskraft nicht vollschichtig zum Einsatz bringe, um die Verfahrenskosten zu decken. Dies entspreche einem durchschnittlichen Monatseinkommen i.H.v. 2.323,69 EUR. Im Gegenzug hat das Familiengericht die monatlichen Wohnkosten i.H.v. 632,45 EUR (obwohl diese aus seiner Sicht völlig überhöht seien) "bis auf weiteres hingenommen". Ferner hat es die monatlichen Beiträge für die Riesterrente (75,58 EUR), und die private Haftpflicht (5,30 EUR), Werbungskosten (118,90 EUR), Unterhaltsleistungen (289,00 EUR + 200,00 EUR = 489,00 EUR) sowie die Freibeträge für Erwerbstätige und für den Antragsgegner (219,00 EUR + 481,00 EUR = 700,00 EUR) in Abzug gebracht, sodass dem Antragsgegner danach ein für die Festsetzung der Ratenhöhe (§ 115 Abs. 2 ZPO) maßgebendes einzusetzenden Einkommen i.H.v. 302,46 EUR (= 2.323,69 EUR - 2021,23 EUR) verbleibt.
Gegen die am 27.03.2018 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner am 26.04.2018 mit Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag per Fax beim Oberlandesgericht Dresden sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
1. dem Antragsgegner rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 18.01.2018 Verfahrenskostenhilfe ohne monatliche Ratenzahlung zu gewähren und
2. die ab 01.06.2018 festgelegte Ratenzahlungsverpflichtung i.H.v. 151,00 EUR auszusetzen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde.
Er begründet seine Beschwerde zum einen damit, dass der Einsatzzeitpunkt für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe richtigerweise der 18.01.2018 sei, weil der Antragsgegner mit am selben Tag beim Familiengericht per Fax eingegangenem Schriftsatz Verfahrenskostenhilfe beantragt habe. Zum anderen habe das Familiengericht dem Antragsgegner zu Unrecht ein fiktives Einkommen zugerechnet. Eine fiktive Berechnung sei auf klare Missbrauchsfälle zu beschränken. Das Gericht habe allerdings hierfür keine ausreichende Begründung angegeben. Schließlich sei es auch nicht begründet, die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung nicht abzusetzen, weil es sich hierbei um eine Pflichtversicherung handele. Aus welchem Umstand gefolgert werde, dass der Antragsgegner das Kraftfahrzeug nicht benötige, sei in den Entscheidungsgründen nicht angegeben.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 29.05.2018 dem Senat in der vom Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zur Entscheidung übertragen.
II. 1. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1, § 567 Abs. 1 ZPO, § 76 Abs. 2 FamFG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist f...