Leitsatz (amtlich)

Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei der Prüfung der Kostenarmut gem. §§ 114, 115 ZPO richtet sich nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen und ist auf krasse Ausnahmefälle beschränkt.

 

Verfahrensgang

AG Lebach (Beschluss vom 18.04.2004; Aktenzeichen 2 F 128/12 UG)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Lebach vom 18.4.2004 in der Fassung des Beschlusses vom 4.7.2012 - 2 F 128/12 UG - teilweise dahingehend abgeändert, dass die Ratenanordnung entfällt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 76 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet. Die auf der Zurechnung fiktiver Einkünfte beruhende Ratenanordnung in dem angefochtenen Beschluss kann keinen Bestand haben, so dass der Antragsgegnerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, können einem Verfahrenskostenhilfe beantragenden Beteiligten fiktive Einkünfte ausnahmsweise zugerechnet werden, wenn er rechtsmissbräuchlich handelt. Dabei ist eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit gegeben, sie liegt auch dann vor, wenn der Beteiligte es offensichtlich leichtfertig unterlässt, eine tatsächlich bestehende und zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu nutzen und ihm deshalb die Beseitigung seiner Bedürftigkeit ohne weiteres möglich wäre. Davon wird regelmäßig nicht auszugehen sein, wenn der Beteiligte - ungekürzte - soziale Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII bezieht (BGH, FamRZ 2009, 1094, m.w.N.). Die Anforderungen an die Zurechnung fiktiven Einkommens im Sozialhilferecht - und dazu gehört auch die Verfahrenskostenhilfe - sind danach weitaus höher als etwa im Unterhaltsrecht und auf krasse Ausnahmefälle beschränkt.

Die Feststellungen des Familiengerichts rechtfertigen nicht die Annahme, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt. So ist die Antragsgegnerin nicht untätig, sondern sie arbeitet im Frisiersalon ihres Vaters, erhält hierfür, wie sich aus der von ihr vorgelegten Gehaltsbescheinigung für April 2010 ergibt, monatlich 364,79 EUR netto und wird von ihren Eltern weiterhin in der Form unterstützt, dass ihr Wohnbedarf gedeckt ist und sie zudem Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 133 EUR zahlen kann. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen vorwerfbarer Weise offensichtlich leichtfertig auf die Erzielung eines höheren Einkommens verzichtet.

Dies gilt umso mehr, als auch das Familiengericht lediglich von einem erzielbaren Einkommen i.H.v. monatlich 1.000 EUR netto ausgeht, wobei dieses im Ergebnis nicht einmal entscheidend höher sein muss als das, was die Antragsgegnerin derzeit erwirtschaftet. Denn auch bei einem Einkommen in dieser Höhe wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, Raten auf die Verfahrenskosten zu zahlen, da sie hieraus den vollen Wohnbedarf, von dem das Familiengericht lediglich die Heizkosten mit 121,39 EUR, nicht aber auch die Kaltmiete in Ansatz gebracht hat, decken müsste; zudem wäre ein (fiktiver) berufsbedingter Aufwand zu berücksichtigen. Dann ergäbe sich aber auch nach der insoweit zu korrigierenden Berechnung des Familiengerichts, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, kein für die Verfahrenskosten einsetzbares Einkommen mehr.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss entsprechend abzuändern.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 76 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3417833

FuR 2013, 117

MDR 2012, 1367

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