Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Senats. Erstattung von Gebühren des Wahlverteidigers neben einem Pflichtverteidiger
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Entscheidung über eine sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors gegen die Festsetzung von Wahlverteidigergebühren nach § 464b StPO ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern berufen, nicht der Einzelrichter.
2. Bei einem Zusammentreffen von Wahl- und Pflichtverteidigung sind wegen §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich auch insgesamt nur die Kosten für einen Verteidiger erstattungsfähig. Hat das Gericht aber neben einem vorhandenen Wahlverteidiger einen Pflichtverteidiger zur Sicherung eines reibungslosen Verfahrensablaufs bestellt und wurde dies nicht wegen des Verhaltens des Angeklagten oder des Wahlverteidigers erforderlich, sind die Wahlverteidigerkosten in voller Höhe zu erstatten.
Normenkette
RVG § 14; StPO §§ 464b, 153 Abs. 2, § 464a
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 31 KLs 13/10) |
Tenor
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss wird dahingehend abgeändert, dass die dem früheren Angeklagen aus der Landeskasse gem. § 153 Abs. 2 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 5.642,33 Euro festgesetzt werden. Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Angeklagten darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Der frühere Angeklagte macht seine notwendigen Auslagen (Kosten des Wahlverteidigers) gegenüber der Landeskasse geltend, nachdem das gegen ihn geführte Strafverfahren am 16. Hauptverhandlungstag am 17.03.2011 nach § 153 Abs. 2 StPO durch Gerichtsbeschluss eingestellt worden ist. Die notwendigen Auslagen des (früheren) Angeklagten sind mit diesem Beschluss der Landeskasse auferlegt worden. Neben dem Wahlverteidiger war dem früheren Angeklagten am 7. Hauptverhandlungstag "zur Verfahrenssicherung" ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
Unter dem 28.12.2011 hat der Verteidiger des früheren Angeklagten Festsetzung und Ausgleich der Wahlverteidigergebühren beantragt und zwar
Grundgebühr Strafsachen gem. Nr. 4100 VV RVG |
300,00 € |
Verfahrensgebühr (1. Rechtszug Strafkammer) gem. Nr. 4112 VV RVG |
270,00 € |
Terminsgebühr (1. Rechtszug Strafkammer) gem. Nr. 4114 VV RVG (16 Termine à 270,00 €) |
4.320,00 € |
07.10.2010 HVT |
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26.10.2010 HVT |
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29.10.2010 HVT |
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03.11.2010 HVT |
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12.11.2010 HVT |
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26.11.2010 HVT |
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01.12.2010 HVT |
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03.12.2010 HVT |
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06.12.2010 HVT |
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10.12.2010 HVT |
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10.01.2011 HVT |
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14.01.2011 HVT |
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04.02.2011 HVT |
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18.02.2011 HVT |
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10.03.2011 HVT |
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17.03.2011 HVT |
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Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Dokumentenpauschale (1293 Ablichtungen) gem. Nr. 7000 VV RVG 50 Ablichtungen à 50 Cent 1243 Ablichtungen à 15 Cent |
211,45 € |
Nettobetrag |
5.121,45 € |
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG |
973,08 € |
Gesamtbetrag |
6.094,53 € |
Mit Schreiben vom 25.04.2012 hat er erläutert, dass das Verfahren umfangreich gewesen sei und die umfangreiche Akte zwecks Erarbeitung einer Verteidigungsstrategie mit dem Angeklagten habe erörtert werden müssen. Da der Aktendeckel zwischenzeitlich den Tatvorwurf "Mord" getragen habe, sei die Sache auch von großer Bedeutung für den ehemaligen Angeklagten gewesen. Die jeweiligen Hauptverhandlungstermine, insbesondere die Zeugenbefragungen, hätten intensiv vor- und nachbereitet werden müssen, so dass eine Mittelgebühr angemessen sei. Soweit es einige nur kurze Termine gegeben habe, sei die Kompensation dadurch erfolgt, dass auch bei längeren Terminen die Rahmengebühr nicht an die zulässige Grenze herangesetzt worden sei.
Nach mehrfachen Sachstandsanfragen und Erinnerungen hat der Rechtspfleger beim Landgericht Dortmund die dem früheren Angeklagten aus der Landeskasse zu erstattenden Auslagen wie beantragt festgesetzt.
Gegen den dem Bezirksrevisor beim Landgericht Dortmund am 21.02.2014 zugestellten Beschluss hat dieser noch am gleichen Tage "Rechtsmittel" eingelegt. Er meint, es seien nur 5.380,53 Euro festzusetzen gewesen, da der Ansatz einer Mittelgebühr von 270 Euro nicht für alle 16 Hauptverhandlungstage gerechtfertigt gewesen sei. Für die Termine am 03.11., 03.12.2010 sowie 10.03. und 17.03.2011 seien nur
120 Euro angemessen. Im Übrigen verweist er auf frühere Stellungnahmen im Kostenfestsetzungsverfahren, aus denen sich u.a. ergibt, dass er eine Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren auf die Wahlverteidigerkosten und mithin nur eine Festsetzung des Differenzbetrags für geboten hält.
Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm hat Stellung genommen. Er hält die sofortige Beschwerde für teilweise begründet und regt an, die zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 5.642,33 Euro festzusetzen.
II.
Das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Bezirksrevisors ist zulässig und teilweise begründet.
1.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 464b Satz 3, 304, 311 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Der Bezirksrevisor ist namens der Landeskasse beschwerdebefugt (vgl. Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 464b ...