Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" im Sinne des § 265a StGB,. Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bei sogenannten Bagatelldelikten (hier: "Schwarzfahrerei"). Übermaßverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Das Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" im Sinne des § 265a StGB ist bereits dann erfüllt, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt nutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen. Wer ein Beförderungsmittel ohne gültigen Fahrausweis betritt, verschweigt nicht nur das Unterlassen der Zahlung des Fahrpreises, sondern gibt mit dem Benutzen des Beförderungsmittels konkludent die wahrheitswidrige Erklärung ab, seiner Zahlungspflicht nachgekommen zu sein.
2. Weder das Übermaßverbot noch das Gebot des schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip schließen die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 StGB) bei Bagatelldelikten bzw. Straftaten mit nur geringem Schaden aus. Aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens ergibt sich auch nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt. Ob die Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß (§ 38 Abs. 2 StGB) übersteigenden Freiheitsstrafe schuldangemessen ist, entscheidet sich vielmehr auch bei den Bagatelldelikten (hier: "Schwarzfahrerei") nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls.
Normenkette
StPO § 349; StGB §§ 38, 46-47, 56, 265a
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 31 Ns 76/17) |
Tenor
- Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
- Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Mit Berufungsurteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 06. März 2018 wurde - unter Abänderung des Verwerfungsurteils der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 05. Dezember 2017 - das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. August 2017, unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 19. September 2017, Az. 31 Ns 25/17, dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt wird.
Erstinstanzlich war die Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. August 2017 wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen sowie Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Der Tatvorwurf der Unterschlagung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der Berufungshauptverhandlung vom 06. März 2018 vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StPO eingestellt.
Gegen das in ihrer und ihrer Verteidigerin Anwesenheit am 06. März 2018 verkündete Berufungsurteil des Landgerichts Essen, welches ihrer Verteidigerin auf Anordnung des Vorsitzenden vom 03. April 2018 am 12. April 2018 zugestellt wurde, wendet sich die Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, eingelegt mit Schriftsatz ihrer Verteidigerin vom 12. März 2018, eingegangen per Telefax-Schreiben beim Landgericht Essen am selben Tage. Mit weiterem Schriftsatz vom 11. Mai 2018, eingegangen per Telefax-Schreiben beim Landgericht Essen am selben Tage, begründet die Angeklagte die Revision mit der Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das angefochtene Urteil der XI. kleinen Strafkammer vom 06. März 2018 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Essen zurück zu verweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Antragsschrift vom 27. Juni 2018, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Zur Begründung führt sie aus, die Überprüfung des Urteils auf die allein erhobene, nicht näher ausgeführte Sachrüge lasse Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht erkennen.
Von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Gegenerklärung (§ 349 Abs. 3 S. 2 StPO) einzureichen, hat die Angeklagte keinen Gebrauch gemacht.
II.
Die zulässige Revision der Angeklagten ist offensichtlich unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
Durchgreifende Rechtsfehler, die geeignet wären, die von der Angeklagten allein erhobene, nicht näher ausgeführte Verletzung materiellen Rechts zu begründen, sind nicht ersichtlich.
1.
Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Das Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" i.S.d. § 265a StGB ist bereits dann erfüllt, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt nutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. den auf Vorlage ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08. Januar 2009 in 4 StR 117/08 = BGHSt 53, 122 = NStZ 2009, 211 = StV 2009, 358). Es ist nicht erford...