Leitsatz (amtlich)
Es ist rechtsfehlerhaft, von der Verwertbarkeit einer Atemalkoholprobe auszugehen, bei der die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende nicht eingehalten ist. Auf die Einhaltung der 20minütigen Wartezeit kann ebenso wenig verzichtet werden wie auf die Einhaltung der Kontrollzeit von 10 Minuten, wobei die Kontrollzeit durchaus in die Wartezeit mit eingerechnet werden kann.
Verfahrensgang
AG Lübbecke (Entscheidung vom 24.02.2006) |
Tenor
1.
Die Sache wird gem. § 80 a Abs. 3 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Dies ist eine Entscheidung des Einzelrichters des Senats.
2.
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Lübbecke vom 24. Februar 2006 wird mit den Feststellungen aufgehoben.
3.
Der Betroffene wird freigesprochen.
4.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lübbecke hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil vom 24. Februar 2006 wegen fahrlässigen Fahrens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss über 0,25 mg/l zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt und gegen den Betroffenen - unter Gewährung der Frist gem. § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG - ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
In den Feststellungen zur Sache hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
"Der Betroffene befuhr am 18.07.2005 um 23.05 Uhr mit dem PKW VW mit dem amtlichen Kennzeichen den Vierlindenweg in 32312 Lübbecke mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,29 mg/l.
Die Atemalkoholkonzentration wurde ermittelt mit dem Messgerät Dräger Evidential Alcotest 7110. Das verwendete Gerät war bis zum 30.09.2005 geeicht. Der Betroffene wurde vor der Durchführung des Alkoholtests über dessen Freiwilligkeit belehrt und führte den Test freiwillig durch. Es wurden sodann zwei Messungen um 23.16 Uhr und um 23.18 Uhr vorgenommen. Durch die Messung um 23.16 Uhr wurde ein Atemalkoholgehalt von 0,301 mg/l, durch die Messung um 23.18 Uhr ein Atemalkoholgehalt von 0,284 mg/l ermittelt.
Der Betroffene hatte entweder um 23.02 Uhr oder um 23.03 Uhr den letzten Schluck Alkohol getrunken."
Das Amtsgericht hat es aufgrund des festgestellten Sachverhaltes als erwiesen angesehen, dass der Betroffene eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG begangen hat, weil es das der Verurteilung zugrundegelegte Messergebnis als ordnungsgemäß und verwertbar erachtet hat.
Im Einzelnen hat das Amtsgericht hierzu folgendes ausgeführt:
"Das der Verurteilung zugrunde gelegte Messergebnis war verwertbar, denn es war ordnungsgemäß. Zwar war nach den Feststellungen des Gerichts die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende nicht festgestellt worden. Auf der anderen Seite ist nach den unbestrittenen Angaben der Polizeibeamten, die durch das Messprotokoll belegt werden, eine Kontrollzeit von mindestens 10 Minuten vor Beginn der Messung eingehalten worden. In dieser Zeit hat der Betroffene keine Substanzen durch Mund oder Nase zu sich genommen. Auch die maximal zulässige Zeitspanne von 5 Minuten zwischen den beiden durchgeführten Messungen ist eingehalten worden. Die Divergenz zwischen den beiden Messwerten beträgt dabei 0,017 mg/l; das ist weniger, als die maximal zulässigen 0,04 mg/l, bzw. auch weniger, als 10 % des Durchschnittswertes der beiden Messungen. Der Durchschnittswert beider Messungen beträgt nämlich 0,2925 mg/l."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
In der Sache war es gem. § 80 a Abs. 3 OWiG geboten, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen und das Verfahren auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Hierbei handelt es sich um die Entscheidung der Einzelrichterin des Senats, Richterin am Oberlandesgericht Warnke.
III.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen. Bei Einsatz des Messgeräts Dräger Alcotest 7110 Evidential handelt es sich um ein sog. "standardisiertes Messverfahren" im Sinne der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte (vgl. BGH St 46, 358; Bayerisches Oberstes Landesgericht NZV 2000, 295; OLG Hamm NZV 2000, 426; OLG Stuttgart VRS 99, 286). Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 24 a Abs. 1 StVG genügt mithin, wie allgemein beim Einsatz standardisierter Messverfahren, die Angabe des konkret verwendeten Gerätetyps und des gewonnenen Messergebnisses (vgl. BGH St a.a.O.). Der Tatrichter ist zu weiteren Darlegungen in den Urteilsgründen nur verpflichtet, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die für den Einsatz des standarisierte...