Leitsatz (amtlich)
Ein Abstandsmessverfahren, das gerichtlichen Schuldfeststellungen zugrunde gelegt werden kann, muss grundsätzlich nach festen Regeln oder Richtlinien durchgeführt werden. Die mit der Anwendung betrauten Personen müssen geschult und ausreichend erfahren sein.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Gütersloh hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstandes (weniger als 2/10 des halben Tachowertes) gemäß §§ 4 Abs. 1, 49 StVO, 24, 25 StVG, 2 Ziffer 6. 1. 4 BKatV zu einer Geldbuße von 200, - DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.
Nach den zugrunde liegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 08. 11. 1999 gegen 16. 20 Uhr als Führer des PKW Ford mit dem amtlichen Kennzeichen S-TE 149 in Gütersloh die BAB 2 in Fahrtrichtung Hannover. Zwischen den Autobahnkilometern 339, 800 und 339, 000 fuhr der Betroffene auf der linken von drei Fahrspuren mit einer Fahrtgeschwindigkeit von mindestens 102 km/h mit einem Abstand von weniger als 10 Metern zu dem vorausfahrenden Polizeifahrzeug der Zeugen H. und P. .
Der Betroffene hatte bestritten, mit einer Geschwindigkeit von 102 km/h und einem geringeren Abstand als 10 Metern zu den Fahrzeugen der Zeugen H. und P. gefahren zu sein.
Das Amtsgericht hat ihn aufgrund der Aussagen der Zeugen H. und P. mit u. a. folgenden Erwägungen als überführt angesehen:
". . . Orientiert an einer Geschwindigkeit von mindestens 102 Stundenkilometern ergibt sich, dass der Betroffene einen Abstand zum vorausfahrenden Pkw der Zeugen von weniger als 2/10 des halben Tachowertes hatte. 2/10 des halben Tachowertes wären bei einer Geschwindigkeit von 102 Stundenkilometern 10, 20 Meter. Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, dass die Nebelscheinwerfer des Betroffenen nicht mehr durch die Heckscheibe zu sehen gewesen seien, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Betroffene sich während der Messstrecke in einer Entfernung von weniger als 10, 20 m zum Fahrzeug der Zeugen befunden hat. Aufgrund eigener Sachkunde als Verkehrsteilnehmer sieht sich das Gericht dazu in der Lage zu beurteilen, dass ein Fahrzeug, dessen Nebelscheinwerfer nicht mehr durch die Heckscheibe des vorausfahrenden Fahrzeugs zu sehen sind, sich in einem Abstand von weniger als 10, 20 Meter zum vorausfahrenden Fahrzeug befindet. . . . "
Der Betroffene hat gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen Rechts, nämlich die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages. Ferner hat der Betroffene die allgemeine Sachrüge erhoben.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt auf die erhobene Verfahrensrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Gütersloh.
Mit Erfolg rügt die Revision die Ablehnung des im Hauptverhandlungstermin gestellten Beweisantrages der Verteidigung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Der Antrag zum Beweis eines größeren Abstandes als 10, 20 m auf Nachstellung der Verkehrssituation mit den beiden Fahrzeugen, verbunden mit einer Abstandsmessung, wenn die Nebelscheinwerfer des PKW Ford durch den Rückspiegel des Funkstreifenkraftwagens aus der Fahrerposition nicht mehr zu sehen sind, der der Sache nach einen Antrag auf Augenscheinseinnahme gemäß § 244 Abs. 5 StPO darstellt, ist durch das Amtsgericht zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt worden, dass er zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.
Die Rüge ist auch ordnungsgemäß ausgeführt worden i. S. d. § 344 Abs. 2 StPO. Für den vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die Ablehnung eines Beweisantrages im Rechtsbeschwerdeverfahren praktisch nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden kann bzw. die Verfahrensrüge der Ablehnung eines Beweisantrages inhaltlich mit der Aufklärungsrüge übereinstimmt (so Göhler, OWiG, 12. Aufl. , Rdnr. 10 zu § 77; Köln VRS 78, 467, 77, 472; Bay. VRS 87, 367) oder ob die Ablehnung des Beweisantrages selbständig gerügt werden kann (so Senge in KK, OWiG, 2. Aufl. , Rdnr. 52 zu § 77 m. w. N. ). Die erhobene Verfahrensrüge genügt jedenfalls auch den Anforderungen, die an die Erhebung der Aufklärungsrüge zu stellen sind.
Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der festgestellten Ordnungswidrigkeit ausschließlich auf die von den Zeugen H. und P. praktizierte Abstandsmessmethode sowie seine eigene Sachkunde als Verkehrsteilnehmer gestützt. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das Amtsgericht konnte nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Zugrundelegu...