Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Feststellungen und die Beweiswürdigung, wenn die Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes auf einer Schätzung der nachfahrenden Polizeibeamten beruht.
Verfahrensgang
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lüdinghausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des Sicherheitsabstandes in Tateinheit mit verbotswidrigem Rechtsüberholen eine Geldbuße in Höhe von 600, 00 DM festgesetzt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 24. August 2000 gegen 14. 55 Uhr mit seinem Pkw die Bundesautobahn A1 auf der linken Fahrspur in Fahrtrichtung Bremen. In Höhe Kilometer 290, 5 bis etwa 291, 5 wurde seine Geschwindigkeit durch Nachfahren und Tachometervergleich mit mindestens 119 km/h (bereits abzüglich einer Toleranz von 15% vom abgelesenen Wert) gemessen. Hierbei soll der Betroffene zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von maximal 10 Metern eingehalten haben, bis das vorausfahrende Fahrzeug die Fahrspur wechselte. Im Anschluß soll er - bei gleicher gemessener Geschwindigkeit - ab Kilometer 288, 0 über eine Fahrstrecke von ca. 2000 Meter zu dem nächsten ihm vorausfahrenden Fahrzeug wiederum einen Abstand von maximal 10 Metern eingehalten haben und alsdann den Vorausfahrenden unter Benutzung der rechten Fahrspur rechts überholt haben.
Das Amtsgericht ist deshalb davon ausgegangen, daß der Abstand weniger als zwei Zehntel des halben Tachowertes betragen habe.
Zu diesen Feststellungen ist das Tatgericht - entgegen der bestreitenden Einlassung des Betroffenen - aufgrund der Aussagen der Zeugen L. und B. gelangt, die mit einem zivilen Polizeifahrzeug bei etwa 80 bis 100 Meter Distanz dem Fahrzeug des Betroffenen auf der linken Fahrspur gefolgt waren. Hierbei hat der Führer des Polizeifahrzeuges (L. ) von dem justierten Tachometer die Geschwindigkeit (140 km/h) abgelesen und in beiden Fällen den Abstand des Betroffenen auf den jeweiligen Messstrecken bei gleichbleibender Geschwindigkeit "mit Sicherheit" geringer als 10 Meter bzw. auf etwa eine Fahrzeuglänge geschätzt, wobei zugunsten des Betroffenen aber von 10 Meter ausgegangen worden sei. Das Fahrzeug fuhr der Zeuge dabei "etwas versetzt zum Mittelstreifen" (gemeint ist ersichtlich, daß das Polizeifahrzeug auf der linken Fahrspur zum linksseitigen Fahrbahnrand versetzt fuhr). Dem Beifahrer kam die Aufgabe zu, während der Nachfahrt mündliche Angaben des Fahrers zu dem Vorfall zu notieren. Der Notizzettel wurde späterhin dem Fahrzeugführer übergeben, der die Anzeige gefertigt hat.
Zur Beweiswürdigung ist in dem Urteil ausgeführt:
"Die Aussagen beider Zeugen haben keinen Anlaß geboten, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Das Gericht hat sie seinen Feststellungen zu Grunde gelegt. Die abweichende Einlassung des Betroffenen musste daher als Schutzbehauptung bewertet werden. " (UA 5)
Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und - mit näheren Ausführungen- die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.
II. Das Rechtsmittel hat zumindest vorläufig Erfolg.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts genügt mangels näherer Ausführung allerdings nicht der gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form und ist damit unzulässig.
Die Überprüfung auf die in zulässiger Weise erhobene Sachbeschwerde führt hingegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Zwar entsprechen die Feststellungen grundsätzlich den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an eine gerichtsverwertbare Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit Tachometervergleich (vgl. Hentschel, StraßenverkehrsR, 36. Aufl. , § 3 StVO, Rdnr. 62 m. w. N. ; Senatsbeschlüsse vom 21. August 1997 - 4 Ss OWi 800/97- in NStZ-RR 1997, 397f und vom 4. Februar 1999 - 4 Ss OWi 49/99 -). Die Art der Geschwindigkeitsmessung, welche der dem Betroffenen nachfahrende Polizeibeamte mittels eines justierten Tachometers vorgenommen hat, ist geeignet, die von dem Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit zuverlässig zu ermitteln. Möglichen Fehlerquellen und Ungenauigkeiten ist das Tatgericht zutreffend durch einen Toleranzabzug von 15% der abgelesenen Geschwindigkeit begegnet.
Indessen tragen die zur Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes getroffenen Feststellungen und die dazu von dem Tatgericht angestellten Beweiserwägungen nicht den Schuldspruch eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO. Das Amtsgericht hat der von dem Polizeibeamten angewandten Methode zur Ermittlung des Abstandes hier materiellrechtlich fehlerhaft einen Beweiswert beigemessen, der ihr nach den bisher festgestellten Umständen nicht zukommt.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung,...