Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverteidiger. Vollstreckungsverfahren. Bestellung nachträgliche Verfahrensbeendigung. prozessuale Überholung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, dass die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Verfahrensbeendigung nicht möglich ist.
2. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht erster Instanz die prozessuale Überholung durch (grob) unrichtige Sachbehandlung provoziert und der Verteidiger es aus offensichtlicher Unkenntnis versäumt hat, dem durch die Einlegung einer Untätigkeitsbeschwerde entgegenzuwirken.
Normenkette
StPO § 140 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 StVK 202/11) |
Tenor
Die Beschwerde ist gegenstandslos.
Gründe
I.
Der Verurteilte wendet sich gegen einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 2. Februar 2012, mit dem diese es abgelehnt hatte, ihm im Verfahren über eine Reststrafenaussetzung einen Verteidiger zu bestellen.
Das Landgericht Bielefeld hatte den Beschwerdeführer am 24. Januar 2007 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Er hatte seine damals sechs bzw. sieben Jahre alte Tochter sexuell missbraucht. Das Urteil wurde am 24. Januar 2007 rechtskräftig. Bereits seit dem 10. August 2005 hatte sich der Verurteilte in Untersuchungshaft befunden.
Nach Rechtskraft des Urteils verbüßte der Verurteilte seine Strafe zunächst in der JVA C, von wo aus er im Juni 2007 zunächst in die JVA I, im September 2007 dann in die sozialtherapeutische Abteilung der JVA E verlegt wurde. Zum 2/3-Termin am 8. Dezember 2010 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold eine Reststrafenaussetzung ab.
Der Verurteilte stellte am 1. September 2011 durch Schriftsatz seiner Wahlverteidigerin Rechtsanwältin Q ein Reststrafengesuch. Nach einem Anhörungstermin am 10. Januar 2012 beschloss die Strafvollstreckungskammer, gemäß § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung entgegen standen. Daraufhin beantragte der Verurteilte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Januar 2012, ihm Rechtsanwältin Q als Verteidigerin zu bestellen.
Die Strafvollstreckungskammer teilte zunächst schriftlich mit, dass die Voraussetzungen einer Bestellung nicht erfüllt seien und fragte an, ob der Antrag zurückgenommen werde. Als der Verurteilte durch weiteren Schriftsatz seiner Verteidigerin auf einer Bestellung bestand, lehnte die Kammer diese schließlich mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 2. Februar 2012 ab und führte zur Begründung aus:
"(...) Die hier anstehende Entscheidung, ob die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht so schwierig, dass die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Etwas anderes ergibt sich auch nicht allein aus dem Umstand, dass hier ein Sachverständigengutachten zu der Frage, ob Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen, eingeholt werden muss. Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Verurteilte unfähig ist, sich selbst zu verteidigen."
Durch Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 21. März 2012, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am gleichen Tage, legte der Verurteilte Beschwerde gegen den Beschluss ein. Mit Schreiben vom 27. März 2012 fragte die Strafvollstreckungskammer bei der Verteidigerin an, ob die Weiterleitung der Akten an das OLG Hamm "sofort oder erst nach Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen T erfolgen" solle. Da sich die Akten beim Sachverständigen befänden und zurückgefordert werden müssten, könne es zu einer Verzögerung der Gutachtenerstattung kommen. Die Verteidigerin antwortete mit Schreiben vom 3. April 2012, dass über die Beschwerde ohne Verzögerung entschieden werden könne, notfalls müssten Zweitakten angefertigt werden. Die Kammer reagierte hierauf zunächst nicht. Nachdem am 11. April 2012 die Akten mitsamt dem Gutachten wieder bei Gericht eingegangen waren, beraumte sie mit Verfügung vom 17. April 2012 einen Anhörungstermin auf den 8. Mai 2012 an. Im Ladungsschreiben an die Verteidigerin heißt es:
"(...) Weiter gehe ich davon aus, dass die Vorlage der Beschwerde vom 21. März 2012 an das Oberlandesgericht Hamm nunmehr nach der Entscheidung über die Strafaussetzung erfolgen kann, andernfalls müsste der Anhörungstermin aufgehoben werden. Die Akten sind sowohl für die Entscheidung über die Strafaussetzung als auch für die Entscheidung über die Beschwerde nicht entbehrlich. Die Erstellung von Zweiakten kommt angesichts des Umfangs des Vollstreckungsheftes mit 365 Seiten nic...