Entscheidungsstichwort (Thema)
Notariat im Zugewinnausgleich
Leitsatz (amtlich)
Die Auskunft über die wertbildenden Faktoren einer freiberuflichen Praxis ist so zu erteilen, dass dem gerichtlichen Sachverständigen die Auswahl der geeigneten Variante der modifizierten Ertragswertmethode für die Praxisbewertung überlassen bleibt.
Auch wenn ein Notariat nicht veräußerbar ist, sind die zum Stichtag vorhandenen Sachwerte und offenen Forderungen tauglicher Gegenstand des Zugewinnausgleichs.
Normenkette
BGB § 1379
Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 57 F 122/18) |
Tenor
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts -Familiengericht- Münster vom 15.06.2022 wird der Antragsteller verpflichtet,
1. der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen
a. über die offenen Forderungen, die am 01.09.2018 in der R. & Partner Rechtsanwaltskanzlei (ausschließlich bezogen auf Forderungen des Antragstellers persönlich) bestanden, sowie
b. über den Sachwert durch Angabe der wertbildenden Faktoren des Notariats R., einschließlich der am 01.09.2018 bestandenen offenen Forderungen des Notariats, und
2. die Auskunft stichtagsbezogen zu belegen,
a. durch Vorlage einer vollständigen Liste (Aktennummer, Rechnungsdatum, Rechnungsbetrag) der offenen Forderungen (offene Postenliste), die am 01.09.2018 in der R. & Partner Rechtsanwaltskanzlei (bezogen auf den Antragsteller) bestanden,
b. durch Vorlage einer vollständigen Liste (Aktennummer, Rechnungsdatum, Rechnungsbetrag) der offenen Forderungen (offene Postenliste), die am 01.09.2018 im Notariat Dr. Z. R. bestanden.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die weitergehenden Anträge der Antragsgegnerin bleiben zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000,- EUR festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbundverfahren über den Umfang der Auskunfts- und Belegvorlagepflicht des Antragstellers im Rahmen des Zugewinnausgleichs.
Die Beteiligten heirateten am 17.09.2010 und leben seit dem 01.09.2017 voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist seit dem 01.09.2018 rechtshängig.
Der Antragsteller ist selbständiger Rechtsanwalt und Notar. Dabei besteht die R. & Partner Rechtsanwaltskanzlei bereits seit dem Jahr 1999, seit dem Jahr 2014 ist der Antragsteller zudem als Notar im Notariat R. tätig. Seit dem Jahr 2015 sind in der Rechtsanwaltskanzlei die Gesellschafter Rechtsanwältin M. und Rechtsanwalt H. tätig. Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass die Rechtsanwaltskanzlei einen Großteil der Sachkosten des Notariats zu tragen hat und sich die beiden Gesellschafter M. und H. mit einem Festbetrag an den Kosten beteiligen. Die individuellen Umsätze als Rechtsanwälte werden von jedem Gesellschafter allein vereinnahmt.
In der Folgesache Zugewinnausgleich haben die Beteiligten wechselseitige Auskunftsanträge gestellt. Der Antragsteller hat seinen Auskunftsantrag mittlerweile für erledigt erklärt.
Der Antragsteller erteilte seine Auskunft durch die Schriftsätze vom 08.07.2019 (Bl. 9 ff) und 14.04.2020 (Bl. 441 ff) und legte hierzu u.a. die Gewinnermittlungen für die Rechtsanwaltskanzlei R. & Partner für die Jahre 2015, 2016 und 2017 vor.
Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller vor dem Amtsgericht auf Erteilung weiterer Auskünfte und auf Vorlage der damit korrespondierenden Belege genommen.
Sie hat vor dem Amtsgericht die Ansicht vertreten, die bislang vom Antragsteller erteilte Auskunft sei unvollständig. Die überreichten Jahresabschlüsse reichten zur Erfüllung der Auskunfts- und Belegpflicht nicht aus, es seien vielmehr Angaben zu den offenen Posten und halbfertigen Leistungen betreffend das Notariat und die Anwaltskanzlei zu machen, diese Angaben seien zudem zu belegen.
Die Kenntnis über die offenen Forderungen sowie die halbfertigen Arbeiten sei notwendig, um den Wert der Rechtsanwaltskanzlei sowie des Notariats feststellen zu können, da die offenen Forderungen und halbfertigen Arbeiten zu Nettoerlösen im Rahmen einer etwaigen Liquidation führen würden. Dies gelte unabhängig davon, nach welcher Methode das Vermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs bewertet werde.
Die angeforderten Belege könnten mit der vorhandenen Bürosoftware ohne nennenswerten Aufwand erstellt werden, es sei keine schöpferische Tätigkeit des Antragstellers erforderlich, sondern es handle sich lediglich um eine Reproduktion.
Auch das Notariat fiele - ungeachtet seiner Ausgestaltung als öffentliches Amt - in den Zugewinnausgleich, da es jedenfalls über Sachwerte, wie z.B. eine IT- und Büroausstattung verfüge. Zudem stellten auch die offenen Forderungen und halbfertigen Arbeiten Vermögenswerte des Notariats dar, die ungeachtet der fehlenden Veräußerbarkeit des Notariats dessen Wert beeinflussen würden.
Die Antragsgegnerin hat vor dem Amtsgericht beantragt, den Antragsteller zu verpflichten,
1. ihr Auskunft zu erteilen über den Bestand sei...