Leitsatz (amtlich)
Die sitzungspolizeiliche Anordnung, (auch) den Verteidiger im Rahmen des Einlassverfahrens nach Waffen u.ä. zu durchsuchen, kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 Ns 49/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist dem Angeklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. September 2011 als Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet worden. Sein Mandant wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 23. November 2010 wegen Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verleumdung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt.
Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten führte die 6. Berufungskammer des Landgerichts Bielefeld u.a. am 7. und am 21. Oktober 2011 die Berufungshauptverhandlung durch. Am 19. September 2011 erließ der Vorsitzende der 6. Strafkammer zur Durchführung der Hauptverhandlung eine sitzungspolizeiliche Verfügung, aufgrund derer allen Personen, die Zutritt zum Sitzungssaal hatten, das Mitführen von Waffen und Gegenständen, die geeignet sind, zur Störung der Hauptverhandlung verwendet zu werden, untersagt wurde. Zugleich wurde verfügt, dass jede Person im Rahmen des Einlassverfahrens auf Waffen, gefährliche Gegenstände und sonstige zur Störung der Hauptverhandlung geeignete Gegenstände zu durchsuchen sei und Funkgeräte, Mobiltelefone, Computer (Laptops), Foto- und Filmapparate sowie Geräte, die der Ton- und Bildaufnahme und/oder
-wiedergabe dienen, zu hinterlegen seien. Ausnahmen bedürften der Genehmigung durch den Vorsitzenden im Einzelfall. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten sitzungspolizeilichen Verfügung Bl. 293 ff. d.A. Bezug genommen.
Gegen diese Anordnung wendet sich der Beschwerdeführer im eigenen Namen als Verteidiger mit seiner unter dem 04.10.2011 eingelegten Beschwerde, die er mit näheren Ausführungen begründet hat.
Das Landgericht Bielefeld hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Vorsitzende der 6. Strafkammer hat mit Zuschrift vom 10. Oktober 2011 mitgeteilt, dass er im Verlaufe des ersten Sitzungstages am 07.10.2011 die Einlasskontrollen, soweit ihnen auch der Verteidiger unterworfen war, aufgehoben habe.
Am 09.11.2011 ist gegen den Angeklagten ein Urteil des Landgerichts Bielefeld ergangen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die durch den Vorsitzenden der 6. Strafkammer getroffene sitzungspolizeiliche Maßnahme mit Verfügung vom 19. September 2011 ist nicht anfechtbar. Es handelt sich um eine sitzungspolizeiliche Maßnahme gemäß § 176 GVG, die nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur einer gesonderten Anfechtung mit der Beschwerde nach § 304 StPO grundsätzlich entzogen ist (vgl. KG NStZ 2011, 120; OLG Zweibrücken, NStZ 1987,
477; BGH NJW 1962, 1260; OLG Hamm, NJW 1972, 1246; LG Ravensburg
NStZ-RR 2007, 348; KK-Diemer, StPO, 6. Aufl. 2008, Rdnr. 2 zu § 181 GVG).
Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der angefochtenen sitzungspolizeilichen Maßnahme eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder gar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt, insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen des von der sitzungspolizeilichen Maßnahme Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus dauerhaft tangiert oder beeinträchtigt würden (vgl. KG, a.a.O.; LG Ravensburg, a.a.O.). Ein so gearteter Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Wirkung der beanstandeten Anordnung erledigt sich mit dem Ende der Sitzung, für die sie getroffen worden ist. Zudem hat der Vorsitzende der Berufungskammer mit Zuschrift vom
10. Oktober 2011 mitgeteilt, dass er die Einlasskontrollen bereits im Verlauf des ersten Sitzungstages am 07.10.2011 aufgehoben habe, soweit ihnen auch der Verteidiger unterworfen war. Angesichts dieses Umstandes hat sich die richterliche Anordnung, jedenfalls soweit sie sich (auch) gegen den Verteidiger gerichtet hat, bereits am ersten Verhandlungstag und somit deutlich vor Urteilserlass erledigt. Eine weitergehende Fortwirkung und Beeinträchtigung seiner Grundrechte oder anderer Rechtspositionen scheidet angesichts dessen aus.
Weder das Beschwerdevorbringen noch das weitere Vorbringen des Verteidigers in seiner Gegenerklärung vom 18. November 2011 auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 03.11.2011 rechtfertigt eine andere Beurteilung. Die Beschwerde war daher mit der aus dem Tenor ersichtlichen Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen