Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit eines bislang nur als Familienname gebräuchlichen, besonders häufigen Namens (hier: Müller) als weiterer Vorname, falls weitere, zudem geschlechtseindeutige Vornamen beigelegt werden (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 30.04.2008; XII ZB 5/08).

 

Normenkette

BGB § 1626; GG Art. 6 Abs. 2; PStG § 49

 

Verfahrensgang

AG Paderborn (Aktenzeichen 3 III 16/19)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das Standesamt wird angewiesen, die Geburt der Tochter der Beteiligten zu 1) und 2) mit den Vornamen "K Müller" zu beurkunden.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.) Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Eheleute, die bislang keinen gemeinsamen Ehenamen bestimmt haben. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2015 bestimmten sie den Nachnamen der Beteiligten zu 1) zum Geburtsnamen des Kindes.

Nachdem am 13.02.2019 ihr zweites Kind, eine Tochter, geboren worden war, wollten sie diesem durch Erklärung vom 14.02.2019 als Vornamen K und den Geburtsnamen Müller, den Nachnamen des Beteiligten zu 2) beilegen. Auf die Bindungswirkung der Geburtsnamensbestimmung für das erste Kind (§ 1617 Abs. 1 S.3 BGB) hingewiesen, änderten sie ihre Erklärung dahingehend ab, dass ihre Tochter nunmehr die Vornamen K Müller erhalten solle.

Das Standesamt hat daraufhin mit Schreiben vom 21.03.2019 dem Amtsgericht die Zweifelsfrage vorgelegt, ob die Geburt auch mit dem Vornamen Müller beurkundet werden könne. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2008 (XII ZB 5/08), nach der die grundsätzliche Eignung auch von Familiennamen als Vornamen nicht für besonders häufige, typische Familiennamen (z.B. Schmitz) gelte, sei für das Standesamt nicht zu klären, ob bei einem Vornamen "Müller" von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen sei.

Das Amtsgericht hat eine Anweisung des Standesbeamten zur Beurkundung der Geburt mit dem Vornamen Müller abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II.) Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, das Standesamt zur Beurkundung des Vornamensbestandteils Müller anzuweisen.

Das Recht, einem Kind Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu (Art. 6 Abs. 2 S.1 GG, § 1626 BGB; vgl. hierzu Diederichsen, NJW 1981, 705). Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es nicht. Die freie Wahl der Vornamen ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, die sie allerdings im Sinne des Kindeswohls auszuüben haben (BVerfG, 1 BvR 994/98, Beschluss vom 28.01.2004, StAZ 2004, 109 = FamRZ 2004, 522, sowie BVerfG, 1 BvR 576/07, Beschluss vom 05.12.2008, NJW 2009, 663f = StAZ 2009, 76ff). Nur wenn letzteres bedroht erscheint, sind die staatlichen Stellen in Ausübung ihrer Aufgaben nach Art. 6 Abs. 2 S.2 GG befugt und verpflichtet, der elterlichen Entscheidung die Anerkennung zu verweigern.

Hierbei wirkt das Persönlichkeitsrecht des Kindes auf das als treuhänderisch zu verstehende Elternrecht dergestalt ein, dass die Namensgebung die Funktion des Vornamens für das Kind, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln, nicht beeinträchtigen darf (BVerfG NJW 2009, 663, 664). Die aus Art. 6 Abs. 2 S.2 GG folgende Befugnis staatlicher Stellen, der Namenswahl der Eltern die Anerkennung zu verweigern, setzt dabei allerdings die konkrete, d.h. im jeweiligen Einzelfall begründbare, höchstwahrscheinliche Gefahr voraus, dass der gewählte Vorname bei normalem Verlauf der Dinge, das Kind nicht zu einer Identitätsfindung befähigen wird (BGH, Beschluss vom 30.04.2008, XII ZB 5/08, NJW 2008, 2500ff, Rz. 20). Dies kann zum einen darauf beruhen, dass der erteilte Vorname zu einer kindlichen Identitätsfindung schlicht ungeeignet ist, etwa weil er kaum aussprechbar ist. Zum anderen kann solchen Namen die Anerkennung verweigert werden, die nach ihrem Bedeutungsgehalt oder ihrem geschichtlichen Hintergrund mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass dieser Name Anlass für Anfeindungen oder Belästigungen des Kindes in seinen Sozialkontakten sein wird.

Als Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aus Sicht des Senats danach festzuhalten, dass es keine Namen oder - um es auf den Punkt zu bringen - Wortschöpfungen gibt, die als Vorname schlechthin unzulässig wären. Phantasienamen sind danach ebenso zulässig, wie solche, die nicht geschlechtseindeutig sind, oder solche, die üblicherweise als Familiennamen in Gebrauch sind. Vorliegend ist das Amtsgericht von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat jedoch gemeint, dass sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2008 (XII ZB 5/08, a.a.O.) ergebe, dass jedenfalls ein bislang nur als Familienname gebräuchlicher, besonders häufiger Name als Vorname ausscheide.

Hintergrund ist, dass der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung in einem obiter dictum in Bezug auf eine Entscheidung des OLG Köln (Beschluss vom 05.11.2001, 16 Wx 239/01, StAZ 2002, 43) ausgeführt ha...

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