Leitsatz (amtlich)
1) Tritt infolge des Todes des Vorerben der Nacherbfall ein, ist eine gesonderte Wertfestsetzung für das Eigenvermögen des Vorerben und das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen erforderlich.
2) Für die Bewertung des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls abzustellen.
Normenkette
GNotKG § 40; BGB § 2100
Verfahrensgang
AG Münster (Beschluss vom 02.04.2015; Aktenzeichen 68 VI 115+116/14) |
AG Münster (Beschluss vom 27.10.2014; Aktenzeichen 68 VI 115+116/14) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten) wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach der Mutter der Beteiligten wird der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom 2.4.2015 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert auf 187.661 EUR festgesetzt wird.
3. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 81 Abs. 8 GNotKG.
Gründe
I. Frau X war verheiratet mit Herrn X. Aus ihrer Ehe gingen die sechs beteiligten Kinder hervor. Am 1.12.1980 errichteten die Eheleute X gemeinsam ein privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben des Erstversterbenden und die Kinder zu dessen Nacherben einsetzten sowie die Kinder als Erben des Letztversterbenden bestimmten.
Nach dem Tod des Herrn X am 21.2.1981 stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, nach dem dieser allein von seiner Ehefrau als Vorerbin beerbt worden ist. In diesem Verfahren gab Frau X am 10.4.1981 den Wert des Nachlasses mit 77.721 DM an.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des am 1.12.1980 errichteten gemeinsamen privatschriftlichen Ehegattentestaments wie auch im Zeitpunkt des Todes sowohl des Herrn X als auch der Frau X (17.12.2013) bestand der Nachlass jeweils im Wesentlichen aus dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück Z-Weg in Münster, das den Eheleuten zu je ½ Anteil gehörte.
Am 14.3.2014 und 9.9.2014 beantragte der Beteiligte zu 1) auf der Grundlage des von seinen Eltern errichteten Ehegattentestaments zwei Erbscheine, und zwar
einen Erbschein nach seinem Vater mit dem Inhalt, dass nach dem Tod der als Vorerbin eingesetzten Ehefrau Nacherbfolge eingetreten ist und dessen Nacherben die sechs Beteiligten zu je 1/6 Anteil sind (68 VI 116/14), und einen Erbschein nach seiner Mutter mit dem Inhalt, dass diese von den Beteiligten zu je 1/6 Anteil beerbt worden ist (68 VI 115/14).
In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 116/14 erließ das Nachlassgericht am 5.6.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach dem Vater der Beteiligten. Feststellungsbeschluss und Erbschein sind nach dem Vermerk der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts am 11.7.2014 versandt worden. Den Geschäftswert setzte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 27.10.2014 auf 39.738,12 EUR fest.
In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 115/14 erließ das Nachlassgericht am 13.10.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach der Mutter der Beteiligten. Mit Beschluss vom gleichen Tag setzte es den Geschäftswert auf 195.247,25 EUR fest. Feststellungsbeschluss, Erbschein und der Wertfestsetzungsbeschluss sind dem Beteiligten zu 1) am 24.10.2014 zugestellt worden. Nachdem das Grundstück von der Erbengemeinschaft für 365.000 EUR verkauft worden war, hob das Nachlassgericht den Wertfestsetzungsbeschluss vom 13.10.2014 mit Beschluss vom 2.4.2015 auf und setzte den Geschäftswert auf 334.472,20 EUR fest.
Gegen die Wertfestsetzungen in den Beschlüssen vom 27.10.2014 (68 VI 116/14) und vom 2.4.2015 (68 VI 115/14) richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 5) vom 20.4.2015.
II. Das Schreiben der Beteiligten zu 5) vom 20.4.2015 ist als Beschwerde nicht nur gegen die nach § 79 GNotKG ergangene Wertfestsetzung in dem Verfahren 68 VI 115/14, sondern auch als Beschwerde gegen die in dem Verfahren 68 VI 116/14 ergangene Wertfestsetzung auszulegen. Über sie entscheidet der Einzelrichter, §§ 83 Abs. 1 S. 5, 81 Abs. 6 S. 1 GNotKG.
1. Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung vom 27.10.2014 in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten (68 VI 116/14) ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 83 Abs. 1 S. 3 GNotKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG bestimmten Frist eingelegt wird; danach sie ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist (Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., § 79 Rz. 32). "Hauptgegenstand" ist hier die Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins. Diese ist mit Beschluss vom 5.6.2014 ergangen, am...