Entscheidungsstichwort (Thema)
Suchtmittelkontrolle. Drogenscreening. Häufigkeit. Intervalle
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung eines Drogenscreenings im Strafvollzug ist grundsätzlich auch ohne konkreten Anlass zulässig. Dabei ist die Festlegung bestimmter Intervalle oder einer bestimmten Höchstzahl pro Jahr mit dem Zweck dieser Kontrollen nicht vereinbar, weil diese für den Gefangenen vorhersehbar würden und er sich darauf einstellen könnte.
Die Rechtmäßigkeit jederzeitiger und gehäufter (vorliegend 6 Kontrollen in der Zeit vom 27.11. - 29.12.) verdachtsunabhängiger Kontrollen versteht sich im Einzelfall aber dann nicht mehr von selbst, wenn es sich um einen Gefangenen handelt, der in der Vergangenheit nicht durch missbräuchlichen Drogenkonsum auffällig geworden ist, die vorangegangene Suchtmittelkontrolle keinen Nachweis eines Drogenkonsums erbracht hat und auch keinerlei Anhaltpunkt dafür ersichtlich ist, dass der Strafgefangene gerade die Zeit unmittelbar nach der letzten Kontrolle möglicherweise in der Erwartung eines längeren Kontrollintervalls für einen Drogenkonsum nutzen könnte.
Normenkette
StVollzG §§ 109 ff.; StVollzG NRW § 65 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen V StVK 1/21) |
Tenor
- Dem Betroffenen wird kostenfrei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
- Die Rechtsbeschwerde wird, soweit sie gegen die Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bei dem Betroffenen im Zeitraum vom 27.11.2020 bis zum 29.12.2020 durchgeführten Suchtmittelkontrollen gerichtet ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Im Übrigen wird sie als unzulässig verworfen.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes aufgehoben, soweit mit ihm der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bei dem Betroffenen im Zeitraum vom 04.12.2020 bis zum 29.12.2020 durchgeführten Suchtmittelkontrollen zurückgewiesen worden ist. Es wird festgestellt, dass die bei dem Betroffenen am 04.12.2020, 11.12.2020, 14.12.2020, 23.12.2020 und 29.12.2020 durchgeführten Suchtmittelkontrollen rechtswidrig gewesen sind.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
- Dem Betroffenen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
- Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen, jedoch wird die gerichtliche Gebühr um 3/4 ermäßigt. Die Landeskasse hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu 3/4 zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen wird aufgrund einer im angefochtenen Beschluss nicht näher dargestellten Verurteilung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Diebstahl und versuchter Nötigung eine Freiheitsstrafe in der JVA Bochum vollzogen. Im Anschluss daran ist eine Sicherungsverwahrung notiert.
Der Betroffene leidet unter einer Alkoholabhängigkeit, die seit 2014 durchgängig - auch unter Inanspruchnahme einer externen Suchtberatung - behandelt wird. Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einem Drogenkonsum wurden bei dem Betroffenen nicht festgestellt. Nachdem bei dem Betroffenen bereits am 13.07.2020 ein Drogenscreening mittels Abgabe einer Urinprobe unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten, die mit einer Entblößung des Geschlechtsteiles des Betroffenen verbunden war, ohne auffälligen Befund durchgeführt worden war, wurden entsprechende Suchtmittelkontrollen am 27.11.2020, 04.12.2020, 11.12.2020, 14.12.2020, 23.12.2020 und 29.12.2020 bei dem Betroffenen wiederholt, die ebenfalls keinen positiven Befund erbrachten.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 04.01.2021 hat der Betroffene beantragt, die Justizvollzugsanstalt Bochum zu verpflichten,
- künftige Suchtmittelkontrollen mittels Abnahme von Kapillarblut aus der Fingerbeere durchzuführen (Antrag 1),
- ferner die Rechtswidrigkeit der unter Aufsicht und mit einer Anordnung zur Entblößung des Geschlechtsteiles verbundenen, am 27.11.2020, 04.12.2020, 11.12.2020, 14.12.2020, 23.12.2020 und 29.12.2020 mittels Urinprobe durchgeführten Suchtmittelkontrollen festzustellen (Anträge 2-4) und
- schließlich Auskunft zu erteilen, durch wen, wann und aus welchen Gründen die Urinabgaben an den genannten Tagen angeordnet worden sind (Antrag 5).
Zur Begründung trägt er vor, die in kurzer Abfolge angeordneten Suchtmittelkontrollen hätten ihn wegen der mit ihnen verbundenen Entblößung des Genitals in seinem Schamgefühl verletzt, seien mangels konkreten Kontrollanlasses willkürlich und zudem auch deshalb unverhältnismäßig gewesen, weil es der Justizvollzugsanstalt möglich gewesen wäre, die Suchtmittelkontrollen mittels Entnahme von Kapillarblut aus der Fingerbeere durchzuführen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat mit dem angefochtenen Beschluss den auf Verpflichtung der Vollzugsanstalt zur Durchführung von Suchtmittelkontrollen nur mittels Abnahme von Blut an der Finger...