Leitsatz (amtlich)

Zur Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wenn die Kindesmutter wegen der Trennung und Zuwendung zu einem neuen Partner aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ausgeschlossen worden ist, während der Kindesvater überzeugtes Mitglied dieser Religionsgemeinschaft bleibt.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1671

 

Verfahrensgang

AG Dülmen (Beschluss vom 24.09.2010; Aktenzeichen 6 F 11/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 24.9.2010 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Dülmen abgeändert.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den am 30.1.2000 geborenen E B wird dem Antragsteller (Kindesvater) zur alleinigen Ausübung übertragen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffend ihr Kind E., geborenen am 30.1.2000.

Der am 5.11.1970 geborene Antragsteller und die am 18.10.1977 geborene Antragsgegnerin haben am 20.12.1996 die Ehe geschlossen. Aus dieser sind die beiden Kinder E, geboren am 30.1.2000, und G, geboren am 4.7.2002 hervorgegangen. Die Kindeseltern leben seit Mai 2009 auf Initiative der Antragsgegnerin (räumlich) voneinander getrennt. Die Antragsgegnerin verblieb zunächst zusammen mit den beiden Kindern in der den Kindeseltern gemeinsam gehörenden Eigentumswohnung, während der Antragsteller zunächst zu seiner Mutter nach S verzog. An fast jedem Wochenende übte der Kindesvater mit seinen Söhnen Umgang aus. Da der Kindesvater dem Wunsch der Antragsgegnerin widersprach, dass deren Lebensgefährte, Herr G, mit in die ehemalige Ehewohnung einziehe, verzog die Antragsgegnerin am 1.10.2009 mit ihren Söhnen und ihrem Lebensgefährten zusammen nach D-M, während der Antragsteller wieder in die ehemalige Ehewohnung zurückkehrte, wo er noch heute lebt. Nach einem Besuchskontakt Mitte November 2009 verblieb E in dem Haushalt des Antragstellers. In der Folgezeit drängte die Antragsgegnerin jedoch darauf, dass E zu ihr zurückkehre. E besucht inzwischen die 4. Grundschulklasse in E1. Da der Antragsteller ganztägig als Autoverkäufer berufstätig ist, wird E von montags bis freitags von der verwitweten Mutter des Antragstellers - die sich in dieser Zeit in der Wohnung des Antragstellers aufhält und nur am Wochenende in ihrer eigenen - betreut. Der nach wie vor im Haushalt der Mutter lebende Sohn G ist zur Grundschule nach M gewechselt. Die Ehe der Parteien ist seit dem 16.10.2010 rechtskräftig geschieden; die Kindesmutter ist mit Herrn G1 wieder- verheiratet. E lebt weiterhin im Haushalt des Antragstellers.

Die Kindeseltern gehörten, und zwar auch bereits vor ihrer Eheschließung, der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas an, die eine Trennung und Scheidung von Eheleuten - insbesondere verbunden mit der Aufnahme einer Beziehung zu einem neuen Partner - für Sünde hält und entsprechend sanktioniert. Während der Antragsteller weiterhin in dieser Religionsgemeinschaft fest verankert ist, wurde die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund, dass sie sich einem neuen Lebenspartner zugewandt hat, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Den Mitgliedern der Gemeinschaft ist jeglicher Kontakt mit der Antragsgegnerin untersagt, was auch für die Eltern der Antragsgegnerin - die selbst dieser Religionsgemeinschaft angehören - gilt. Auch die Kinder wurden während des ehelichen Zusammenlebens an diese Religionsgemeinschaft herangeführt. Während E seit seinem Wechsel in den Haushalt des Vaters an Lesungen und Hausbesuchen teilnimmt, hat G geäußert, nicht mehr an den Zusammenkünften teilnehmen zu wollen und tut dies wohl auch nicht mehr.

Mit Schriftsatz vom 11.1.2010 begehrte der Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes für E und führte zur Begründung aus, dass dies dem Wunsche des Kindes entspreche und E sämtliche sozialen Kontakte zu seinen Freunden und Mitschülern nur bei ihm aufrechterhalten könne. Die Kindesmutter sei im November 2009 zunächst auch mit einem Verbleib von E in seinem Haushalt einverstanden gewesen. Wegen des Aufenthaltes des neuen Lebensgefährten der Antragsgegnerin in deren neuer Wohnung lehne E eine Rückkehr zu dieser ab. Zudem äußere sich der neue Lebensgefährte der Antragsgegnerin zumindest gegenüber G bewusst abfällig über ihn.

Die Antragsgegnerin hat ihrerseits die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich beantragt. Sie bestreitet insbesondere, dass E wirklich dauerhaft bei seinem Vater leben wolle. Etwaige von diesem gemachte Äußerungen würden auf einer massiven Beeinflussung durch den Kindesvater beruhen, der sie vor dem Jungen in übelster Weise diskreditiere. Sie sei auch während der Ehe und zuletzt noch im Dezember 2009 vom Antra...

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