Leitsatz (amtlich)

1. Erledigt sich im Verfahren auf Anordnung der Abschiebungshaft nach Erlass der Erstbeschwerdeentscheidung die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen, so kann der Betroffene sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme einlegen.

2. Gegenstand der feststellenden Entscheidung kann nur die verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts sein.

 

Normenkette

FGG § 20; FGG § AusLG; FGG § 57 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Coesfeld (Aktenzeichen 9 XIV 24/01 B)

LG Münster (Aktenzeichen 5 T 6/02)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Fortdauer der Abschiebungshaft des Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss des LG rechtswidrig war.

Der Kreis Coesfeld hat die dem Betroffenen im Verfahren der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Betroffene reiste erstmals im Jahre 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folgezeit drei Asylanträge, die sämtlich ohne Erfolg blieben. Daneben wurde er durch Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19.9.2000 wegen zahlreicher Straftaten gem. § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen; auch seine hiergegen erhobene verwaltungsgerichtliche Klage wurde abgewiesen. Zuletzt war der Betroffene befristet bis zum 3.11.2001 und beschränkt auf das Gebiet des Landes Baden-Württemberg geduldet; ihm war eine Unterkunft in Mannheim zugewiesen.

Am 20.9.2001 hat der Betroffene seine langjährige Lebensgefährtin, Frau J.V., geheiratet. Diese wohnt – ebenfalls ausländerrechtlich lediglich geduldet – mit den vier aus der Verbindung mit dem Betroffenen hervorgegangenen gemeinsamen Kindern in D. Der Betroffene hat mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten jeweils vom 21.9.2001 sowohl bei dem Beteiligten zu 2) als auch bei der Ausländerbehörde der Stadt Mannheim beantragt, im Hinblick auf die erfolgte Eheschließung die Wohnsitzauflage der ihm erteilten Duldung dahin zu ändern, dass er sich bei seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern aufhalten kann.

Nachdem der Betroffene aus Anlass eines Abschiebungsversuchs am 15.11.2001 in der ihm zugewiesenen Unterkunft in Mannheim nicht angetroffen worden war, hat das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Schreiben vom 19.11.2001 den Beteiligten zu 2) ersucht, im Wege der Amtshilfe die Abschiebung des Betroffenen durchzuführen und ihn „in Abschiebehaft zu nehmen”. Der Betroffene halte sich höchstwahrscheinlich bei seiner Ehefrau unter der oben genannten Anschrift in D. auf.

Der Beteiligte zu 2) hat daraufhin am 7.12.2001 bei dem AG beantragt, gegen den Betroffenen die Abschiebungshaft anzuordnen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Betroffene sei am 6.12.2001 von der Polizei in D. nach einem Ladendiebstahl festgenommen worden. Es bestehe der Haftgrund gem. § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 AuslG.

Das AG hat den Betroffenen am 7.12.2001 persönlich angehört und durch den sodann verkündeten Beschluss mit sofortiger Wirksamkeit die Abschiebungshaft gegen den Betroffenen für die Dauer von längstens drei Monaten angeordnet.

Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 20.12.2001 sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG durch Beschluss vom 24.1.2002 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 31.1.2002 bei dem LG eingelegt hat. Vor Einlegung dieses Rechtsmittels war der Betroffene am 29.1.2002 auf Veranlassung des Beteiligten zu 2) aus der Haft entlassen worden. Grundlage dafür war eine auf Antrag des Betroffenen erlassene einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28.1.2002, durch die dem Regierungspräsidium Karlsruhe aus Gründen ausländerrechtlicher Zuständigkeitsbestimmungen untersagt wurde, den Betroffenen abzuschieben. Im Hinblick auf seine Entlassung beantragt der Betroffene nunmehr, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Abschiebungshaft festzustellen.

Der Beteiligte zu 2) hat zu dem Rechtsmittel mit Schreiben vom 19.2.2002 Stellung genommen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 103 Abs. 2 AuslG, 7 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Das Verfahren hat sich zwar bereits vor Einlegung des Rechtsmittels dadurch in der Hauptsache erledigt, dass der Betroffene am 29.1.2002 aus der Haft entlassen worden ist. Gleichwohl bleibt das Rechtsmittel mit dem gestellten Feststellungsantrag zulässig.

Zu dieser Beurteilung sieht sich der Senat unter gleichzeitiger Aufgabe seiner gegenteiligen früheren Rechtsprechung (OLG Hamm v. 24.11.1997 – 15 W 431/97, NJW 1998, 463) durch einen kürzlich ergangenen Beschluss des BVerfG vom 5.12.2001 (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99 u.a.) gezwungen. In dieser Entscheidung hat das BVerfG ausgeführt, im Hinblick auf das Gebot der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 ...

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