Leitsatz (amtlich)

Allein der beharrliche und gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen oder das beharrliche Sich-Entziehen der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers rechtfertigen schon nach dem Gesetzeswortlaut den Widerruf der Strafaussetzung nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Entscheidung vom 23.01.2013)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 01.02.2008 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 5 Fällen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes von zwei halbautomatischen Kurzwaffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt (150 Js 155/07-36 KLs 40/07). Mit Beschluss vom 25.05.2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund die Vollstreckung des Strafrestes aus dem Urteil nach Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe für die Dauer von 3 Jahren zur Bewährung aus. Dem Betroffenen wurde ein Bewährungshelfer bestellt und ihm u.a. auferlegt, zu diesem während der gesamten Bewährungszeit engen Kontakt zu halten sowie nach näherer Weisung der Bewährungshilfe zur Kontrolle auf Betäubungsmittel Screening-Tests durchführen zu lassen und deren Ergebnisse unverzüglich der Bewährungshilfe mitzuteilen.

Die namentliche Benennung des Bewährungshelfers erfolgte am 27.07.2011. Dieser berichtete, dass gegen den Betroffenen eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde vorliege und der Betroffene in Verhandlungen über eine Duldung bzw. eine befristete Ausweisung stehe. Der ungesicherte Aufenthaltsstatus des Betroffenen war auch Gegenstand der weiteren Berichterstattung. Ein erstes im Januar 2012 vorgelegtes Drogenscreenig war negativ. Im Juli 2012 berichtete der Bewährungshelfer, dass der Betroffene inzwischen eine befristete Arbeitsstelle bis zum 02.07.2013 bei der Chicken-Farm in Castrop-Rauxel innehabe, der letzte Kontakt allerdings am 28.06.2012 erfolgt sei und auch das angeforderte Drogenscreening nicht vorgelegt worden sei. Auf Aufforderung der Strafvollstreckungskammer legte der Betroffene am 24.08.2012 ein weiteres negatives Drogenscreening vor. Den Kontakt zu seinem Bewährungshelfer brach der Betroffene in der Folge ab, weshalb die Staatsanwaltschaft unter dem 13.12.2012 den Widerruf der Strafaussetzung beantragte.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund hörte den Betroffenen am 11.01.2013 und den Betroffenen sowie dessen Bewährungshelfer am 18.01.2013 zur Frage des Widerrufs der Strafaussetzung an. Im Termin am 18.01.2013 legte der Betroffene ein weiteres negatives Drogenscreening vor. Nach weiteren Ermittlungen der Strafvollstreckungskammer zum Aufenthaltsstatus des Betroffenen hat diese mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.01.2013 die Strafaussetzung widerrufen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Betroffene habe sich beharrlich der Aufsicht seines Bewährungshelfers entzogen und sei zu insgesamt 5 konkret aufgezählten Terminen im Zeitraum September bis Dezember 2012 nicht erschienen. Dadurch habe er es dem Bewährungshelfer auch unmöglich gemacht, ihm die Vorlage von Drogenscreenings aufzugeben, um seine Drogenfreiheit zu überprüfen. Die von dem Betroffenen angeführten Gründe für die Nichteinhaltung der Besprechungstermine und zu seinem Aufenthaltsstatus hätten sich im Ergebnis als "Lügen" herausgestellt. Dieses Verhalten begründe eine auf Tatsachen beruhende Befürchtung, dass sich der Verurteilte bei sich aus seiner Sicht stellender "Notwendigkeit" ggfls. neue Straftaten begehen werde, wenn sich dies zur Erfüllung seiner Wünsche bzw. Bedürfnisse als notwendig erweise. Weiterer Beleg für die Einstellung des Betroffenen und damit die Beurteilung künftiger Straffreiheit sei die "Dreistigkeit", mit der der Verurteilte die Kammer über seinen Aufenthaltsstatus und die Absprachen mit dem Ausländeramt getäuscht habe.

Gegen diesen, dem Betroffenen am 26.01.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die durch seinen Verteidiger am 31.01.2013 eingelegte sofortige Beschwerde, mit der er im Wesentlichen geltend macht, aufgrund einer Tumorerkrankung und seiner ungesicherten ausländerrechtlichen Situation in psychisch schlechter Verfassung gewesen zu sein, weshalb mildere Maßnahmen als ein Widerruf in Betracht zu ziehen seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

den Beschluss aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

II.

Die gem. §§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 StPO zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde des Betroffenen ist begründet.

D...

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