Verfahrensgang

AG Bocholt (Aktenzeichen 15 F 61/05)

 

Gründe

Nach der Mitteilung eines Anwaltswechsels durch gleichlautende Schreiben der früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Rechtsanwältin L und des neu gewählten Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Rechtsanwalt I beschloß das Familiengericht am 19.8.2005, dem "Antragsgegner im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe anstelle von Rechtsanwältin L Rechtsanwalt I insofern" beizuordnen, "als der Staatskasse keine weiteren Kosten dadurch entstehen". Ein entsprechende Einverständniserklärung eines der beteiligten Rechtsanwälte hatte es zuvor nicht eingeholt. Der entsprechende Beschluss wurde den beteiligten Anwälten am 25.8.2005 formlos übersandt. Der Tag des Zugangs ist nicht bekannt. Eine Reaktion auf den Beschluss erfolgte nicht.

Tatsächlich hat Rechtsanwalt I das Mandat ungeachtet einer zwischenzeitlichen Mitteilung einer Mandatsniederlegung auch weitergeführt, Anträge gestellt und den Termin in der Ehesache wahrgenommen. Dort erging nach Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich ein Scheidungsurteil, das rechtskräftig ist; die Folgesache Versorgungsausgleich ist noch anhängig.

Mit Antrag vom 6.1.2006 beantragte Rechtsanwalt I die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen. Die Rechtspflegerin äußerte mit Schreiben vom 11.1.2006 Bedenken u.a. dahin, daß Gebühren beansprucht würden, die bereits auf entsprechenden Antrag an die frühere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Rechtsanwältin L ausgekehrt worden seien. Die erneute Geltendmachung sei durch den zugrundeliegenden Beschluss des Familiengerichts vom 19.8.2005 ausgeschlossen.

Mit Schreiben der Rechtsanwälte W vom 18.1.2006, unterzeichnet von RA I, wurde daraufhin die Änderung des Beschlusses vom 19.8.2005 dahin beantragt, daß die Einschränkung im Hinblick auf den Ausschluß von Mehrkosten entfalle. Dazu sah sich das Familiengericht außerstande, zumal die Rechtsmittelfrist abgelaufen sei. Es beabsichtige eine Vorlage an den Senat, wenn der Antrag vom 18.1.2006 als sofortige Beschwerde verstanden werden solle. Das bejahte RA I mit Schreiben vom 19.5.2006. Das Amtsgericht hat die Sache daraufhin mit einem knappen, lediglich im Hinblick auf seine bereits in dem vorangegangenen Schreiben geäußerte Rechtsansicht dem § 572 I ZPO genügenden Beschluss dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Gegen eine nicht antragsgemäße Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gem. § 127 II ZPO für die betroffene Partei das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. In besonderen Fallkonstellationen wird darüber hinaus ein Beschwerderecht auch des Verfahrensbevollmächtigten analog §§ 56 II, 33 RVG angenommen (Zöller/Philippi, Rn 19 zu § 127 ZPO m.w.N.). In wessen Namen hier das Rechtsmittel eingelegt wurde, geht aus der gewählten Formulierung ("wird beantragt" im Kostenerstattungsantrag vom 6.1.; "wir ... beantragen" im SS vom 18.1.2006; soll "unser Antrag ... als sofortige Beschwerde verstanden werden" im SS vom 19.5.2006) nicht eindeutig hervor. Der Umstand, daß die Anträge allesamt im Kostenfestsetzungsverfahren gestellt worden sind, spricht zwar in gewisser Weise dafür, daß sie im eigenen Interesse und Namen des Anwalts verfolgt wurden; der Senat wertet das Rechtsmittel gleichwohl als ein solches der Partei, weil der Antragsgegner diejenige ist, der durch die nicht antragsgemäß erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe materiell beschwert wäre. Letztlich kann dies aber dahinstehen. Auch eine Beschwerde des Anwalts aus eigener Betroffenheit würde denselben prozessualen und materiellen Kriterien unterliegen, insbesondere auch der Beschwerdefrist von einem Monat gem. § 127 II 3 ZPO. Bedeutsam wäre die Person des Beschwerdeführers letztlich nur für die sich hier nicht stellende Frage, wem die Kosten eines erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu berechnen sind.

Die danach gem. § 127 II ZPO statthafte Beschwerde ist zulässsig, insbesondere nicht verspätet. Denn der Beginn der Beschwerdefrist von hier einem Monat ist nicht feststellbar. Das Amtsgericht hat den Beteiligten seinen Beschluss vom 19.8.2005 entgegen § 329 II ZPO lediglich formlos mitgeteilt und nicht förmlich zugestellt. In derartigen Fällen ist (Zöller/Gummer, Rn 4 zu § 569 ZPO m.w.N.) der Tag der tatsächlichen Bekanntgabe der Verkündung gleichzusetzen mit der Folge, daß die Notfrist von 1 Monat erst fünf Monate nach der formlosen Bekanntgabe beginnt. Selbst wenn bei Annahme kurzer Postlaufzeiten hier unterstellt würde, dass der am 25.8.2005 "abverfügte" Beschluss schon am 26.8 2005 zuging, also als "verkündet, aber nicht zugestellt" i.S.v. § 569 ZPO anzusehen war, wäre die Notfrist von einem Monat erst am 26.1.2006 angelaufen. Der Antrag vom 18.1.2006 hätte die Beschwerdefrist also jedenfalls gewahrt. Dieser ist auch ohne weiteres, weil unbedingt auf Abänderung der nicht insgesamt antragsgemäßen Entscheidung vom 19.8.2005 gerichtet, als sofortige Beschwerde auszulegen.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Zwa...

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